Positionspapier
Beschlüsse Vorstand

Positionspapier "Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege"

Erste Schritte und Anforderungen aus kommunaler Sicht
27. Februar 2015

Die Bundes-SGK unterstützt das auf sozialdemokratische Initiative hin im Koalitionsvertrag verankerte Ziel einer Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege. Dort heißt es:

„Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb haben die Kommunen und die Länder nach dem Pflegeversicherungsgesetz schon jetzt einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Wir werden in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit klären, wie die Rolle der Kommunen bei der Pflege noch weiter gestärkt und aus-gebaut werden kann. Insbesondere soll geklärt werden, wie die Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden kann. Im Zusammenwirken mit städteplanerischen Instrumenten sollen Sozialräume so entwickelt werden, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben können.

Außerdem sollen Kommunen stärker in die Strukturen der Pflege verantwortlich eingebunden werden. Hierfür kommen auf Grund ihres hohen sozialräumlichen Bezuges aufsuchende und begleitende Pflegeberatung insbesondere in Pflegestützpunkten, Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Engagierte, die laufende Beratung der Empfänger von Pflegegeld sowie die Beteiligung bei der Leistungsgewährung für Infrastruktur fördernde Maßnahmen in Betracht.“

Der hierzu im Jahr 2014 zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden begonnene Diskussionsprozess bildet einen notwendigen Schritt, um im Ergebnis sowohl erste Maßnahmen noch in dieser Legislaturperiode ergreifen als auch längerfristige Weichen für eine sozialraum-orientierte Pflege im Kontext der Altenhilfe und des kommunalen Daseinsvorsorgeauftrags stellen zu können.

Handlungsbedarf ergibt sich aus kommunaler Sicht mit Blick auf die vielfältigen und wichtigen Beiträge der Städte, Gemeinden und Kreise, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, Pflegeleistungen und -strukturen mit zu organisieren und im Bedürftigkeitsfall auch im Rahmen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe zu finanzieren. Hierbei verweist das Ausgabenwachstum in den letztgenannten Leistungsbereichen auf eine Entwicklung, die dem demographischen Wandel ebenso wie spezifischen Erwerbsbiographien gerade in den neuen Ländern geschuldet ist und längerfristig anhalten wird. Hinzutritt die marktlich organisierte Bereitstellung der Pflegeinfrastruktur, die sich einer örtlichen und regionalen Steuerung entzieht und in Teilräumen entweder ineffiziente Über-angebote oder einen absehbaren Mangel an stationären wie ambulanten Angeboten erzeugen kann.

Obwohl die Einführung der Pflegeversicherung in den 1990er Jahren unter einem anderen Vorzeichen erfolgte, zeigt sich, dass die mit der Pflege zusammenhängenden Lebenslagen stets eine kommunale Aufgaben geblieben sind und sich für die Städte, Gemeinden und Kreise wieder zunehmend als Herausforderung stellen. Problematisch ist dabei, dass den Kommunen die in diesem Zusammenhang notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten fehlen. Sie sind unzureichend in die Planung, Beratung und Entscheidung eingebunden. Sozialplanerische Grundlagen für die betroffenen Sozialräume sind nur i. T. vorhanden oder können mit den zugänglichen Daten nicht aufgebaut werden.

Deshalb erfordert die Bewältigung der Lebenslage „Pflegebedürftigkeit“ ein auch gesetzgeberisches Tätigwerden von Bund und Ländern. Dabei ist zu beachten, dass zu den ohnehin steigenden sozialen Pflegeleistungen nicht weitere verpflichtende Aufgaben für die Kommunen hinzukommen dürfen, ohne diese nach dem Konnexitätsprinzip angemessen zu finanzieren. Außerdem ist es notwendig, regulative und planerische Kompetenzen, Beratungsangebote und letztlich auch gewährleistende Funktionen sorgfältig aufeinander abzustimmen und in ihrer Wirkung abzu-schätzen. Das Erfordernis, Angebotsstrukturen einerseits nach den Maßgaben einer qualitativen örtlichen Bedarfsplanung zu entwickeln und erforderlichenfalls zu begrenzen und diese anderer-seits in unterversorgten Regionen neu zu schaffen, stellt ein komplexes Regelungsziel dar, das in seiner Umsetzung nicht zu einer unverhältnismäßigen kommunalen Belastung oder einer Fehlallokation von Ressourcen führen darf.

Insofern befürwortet die Bundes-SGK ausdrücklich das schrittweise angelegte Vorgehen in dem Konzept, das die SPD-geführten Sozialminister der Länder im Herbst 2014 mit ihren Eckpunkten vorgelegt haben und das durch Vorschläge seitens der kommunalen Spitzenverbände ergänzt werden soll. Wichtig sind dabei insbesondere:

  • die Verankerung einer kommunalen sozialräumlichen Pflegestrukturplanung im Bundes- und Landesrecht;
     
  • die Stärkung der kommunalen Planungsfähigkeit und Planungskompetenz durch die Vorgabe und verpflichtende Bereitstellung von geeigneten, bundesweit vergleichbaren, auch kleinräumigen Daten;
     
  • die Einflussnahme der kommunalen Pflegeplanung auf die Angebotsstrukturen durch ihre verpflichtende Berücksichtigung im Zulassungsverfahren von Einrichtungen;
  • die Ermöglichung abweichender Bestimmungen zur Trägerschaft von Pflegestützpunkten in den Ländern (zur Übertragung auf die Kommunen);
     
  • die Einführung von sog. Kooperationskommunen, die auf vertraglicher Basis mit den Pflege-kassen und nach dem Landesrecht insbesondere Beratungs- und Case Management-Aufgaben in ihre Verantwortung übernehmen (mit pauschalierter Finanzierung und Auswertung nach einer Erprobungszeit);
     
  • die Finanzierungsbeteiligung der Pflegekassen an den verschiedenen o. g. kommunalen Auf-gaben und mitwirkenden Funktionen in der Pflege (Planung, Beratung, Modellversuche usw.);
     
  • die Nutzung des im Bereich der Krankenversicherung vorgesehenen Innovationsfonds zur Förderung innovativer sektorübergreifender Versorgungsformen wie auch der im Koalitions-vertrag vereinbarten sonstigen Förderinstrumente in den Bereichen Wohnen, Inklusion / Barrierearmut, Digitale Agenda und demographischer Wandel.

Darüber hinaus wird es dauerhaft darum gehen, Lösungen für an stationären und/oder ambulanten Leistungen unterversorgte Gebiete zu entwickeln. Die Bundes-SGK setzt sich deshalb dafür ein, intensiv auch die Frage von Sicherstellungsaufträgen und Gewährleistungspflichten zu diskutieren. Zugleich müssen Pflegeleistungen im Kontext der kommunalen Seniorenpolitik und Altenhilfe betrachtet und Bezüge zur Gesundheitsversorgung und zur gesundheitlichen Prävention hergestellt werden.

Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK
vom 27. Februar 2015