Positionspapier
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Positionspapier "Handlungserfordernisse zur Umsetzung des Ziels der finanziellen Entlastung der Kommunen im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU"

21. Februar 2014

Die neue Bundesregierung hat sich auf Betreiben der SPD sehr zügig wichtigen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zugewandt, etwa im Bereich der Energiewende und in der Rentenpolitik. Zugleich arbeitet die Regierung intensiv an Möglichkeiten zur Unterstützung von Kommunen, die derzeit besonders stark von Armutszuwanderung betroffen sind.

Die Städtebauförderung soll ab 2015 aufwachsend auf 700 Mrd. EUR jährlich erhöht werden. Diese Schritte begrüßt und unterstützt die Bundes-SGK nachdrücklich.

Zu erwarten ist, dass bald auch die Vorhaben in Angriff genommen werden, die sich mit der Entlastung der Kommunen verbinden und gleichfalls auf sozialdemokratische Initiative zurückgehen. Dies betrifft unmittelbar die anstehenden Verabredungen zu jenen 6 Mrd. EUR, die bis einschließlich 2017 den Ländern und Kommunen für die Bereiche Kinderbetreuung, Bildung und Hochschulen im Rahmen der prioritären Maßnahmen zugesagt sind.

Darüber hinaus sind die Städte, Gemeinden und Kreise darauf angewiesen, dass die im Vorgriff auf eine Beteiligung des Bundes an den Kosten Eingliederungshilfe zugesagte

1 Mrd. EUR pro Jahr so schnell wie möglich zur Verfügung steht und der Weg dieser Entlastung fixiert wird. Zugleich bedarf es eines zügigen Einstiegs in ein Gesetzgebungs­verfahren zur Reform der Eingliederungshilfe. Wie im Koalitionsvertrag zugesagt, muss es mit der Verabschiedung eines Bundesteilhabegesetzes noch in dieser Legislaturperiode zur Entlastung der Kommunen von der Eingliederungshilfe im Umfang von 5 Mrd. EUR jährlich kommen.

Die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen bildet den langfristigen Rahmen für die Aufgaben- und Ressourcenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Hierfür sind intensive Beratungen erforderlich, die zeitnah beginnen und an denen Vertreter der Städte,

Gemeinden und Kreise von Anfang an umfassend beteiligt werden müssen. Die Komplexität der Materie darf allerdings nicht dazu führen, dass die Entscheidung wichtiger Fragen bis zu den Verhandlungen und ihrem Abschluss aufgeschoben wird. Dies betrifft neben der Eingliederungshilfe ebenso die künftige Bereitstellung der Entflechtungsmittel und eine schon vorher zu erarbeitende Anschlusslösung für das GVFG-Bundesprogramm nach 2019.

(1) Zentrale Aussagen des Koalitionsvertrags zur Unterstützung und Entlastung der Kommunen

Der Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU erkennt den erhöhten Finanzbedarf der Städte, Gemeinden und Kreise sowie die Mitverantwortung des Bundes dafür an. Denn trotz guter Steuereinnahmen setzt sich der Anstieg von Kassenkrediten unvermindert fort und nimmt vor allem die Spreizung zwischen armen und reichen Kommunen weiter zu. So haben sich die Unterschiede zwischen den kommunalen Finanzierungssalden der Länder seit 2000 beinahe verdreifacht. Die Sachinvestitionen der Städte, Gemeinden und Kreise bewegen sich nach wir vor auf viel zu geringem Niveau, um den Investitions- und Instandhaltungsstau von 130 Mrd. EUR abzubauen. Verantwortlich dafür sind vor allem die erheblichen und unabhängig von der konjunkturellen Lage steigenden Sozialausgaben. Allein die Kosten der Eingliederungshilfe wachsen jährlich um bis zu 6%. Sofern es daher nicht bald und verlässlich zu den im Koalitionsvertrag festgelegten Entlastungsschritten für die Kommunen kommt, werden diese vielerorts grundlegenden Aufgaben der Daseinsvorsorge nicht mehr in ausreichendem Maße nachkommen können.

Die Koalitionspartner auf Bundesebene haben diese Gefahr und den damit

verbundenen Handlungsbedarf erkannt. Im Koalitionsvertrag wurden deshalb mehrere prioritäre Maßnahmen für die laufende Legislaturperiode vereinbart,

die nicht unter Finanzierungsvorbehalt stehen:

  • „Die Gemeinden, Städte und Landkreise in Deutschland sollen weiter finanziell entlastet werden. Im Jahr 2014 erfolgt ohnehin die letzte Stufe der Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund und damit eine Entlastung der Kommunen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Darüber hinaus sollen die Kommunen im Rahmen der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Umfang von fünf Milliarden jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes beginnen wir mit einer jährlichen Entlastung der Kommunen in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr.“
     
  • „Die Länder und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen bei der Finanzierung von Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen. Damit sie diese

Aufgaben besser bewältigen können, werden die Länder in der laufenden Legislaturperiode in Höhe von sechs Milliarden Euro entlastet. Sollten die veranschlagten Mittel für die Kinderbetreuung für den Aufwuchs nicht ausreichen, werden sie entsprechend des erkennbaren Bedarfs aufgestockt.“

  • „Für die Städtebauförderung stellen wir insgesamt 600 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, um auf 700 Millionen Euro pro Jahr zu kommen.“

Diese Maßnahmen sind ohne Abstriche in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Andernfalls sind mit einer schwierigen Finanzlage vieler Städte, Gemeinden und Kreise auch zentrale bildungspolitische und infrastrukturelle Vorhaben der Bundesregierung gefährdet. Hierfür müssen aufgrund der Ablehnung einer erweiterten staatlichen Einnahmebasis durch CDU und CSU zusätzlich entstehende Spielräume des Bundes eingesetzt und in seiner Finanz­planung vorgesehen werden.

(2) Aufteilung der zusätzlichen Bildungsmittel für Krippen, Kitas, Schulen und Hochschulen

Für die Zumessung der laut Koalitionsvertrag den Ländern und Kommunen zugesagten 6 Mrd. EUR für Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen fordert die Bundes-SGK einen unkomplizierten Weg, der Länder wie Kommunen von neuen Zweckbestimmungen freistellt.

Zugleich ist es erforderlich, einen angemessenen Anteil für konkrete kommunale Bedarfe explizit zu definieren. Hierzu zählt zunächst die Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Schulsozialarbeit von zuletzt 400 Mio. EUR pro Jahr. In den meisten Ländern wird es allenfalls für 2014 eine Anschlussregelung geben, während ab 2015 die Einschränkung oder sogar Einstellung dieser sozial- wie bildungspolitisch unentbehrlichen Maßnahme droht.

Darüber hinaus benötigen die Kommunen im Bereich der Kinderbetreuung die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Aufstockung der Betriebskosten­beteiligung des Bundes. Sie beträgt bislang 845 Mio. EUR p. a. und muss dringend der steigenden Nachfrage angepasst werden. Da diese Mittel vor allem in den Personalaufwand fließen, verbindet sich damit immer auch eine qualitative Absicherung und Verbesserung der Kindertagesbetreuung.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auf die Kommunen in den nächsten Jahren erhöhte Aus­gaben vor allem auch im Bereich der schulischen Inklusion zukommen. Diese Aufgabe zählt folglich ebenso zu den im Koalitions­vertrag benannten Herausforderungen, die mit den 6 Mrd. EUR adressiert werden müssen.

Für die Unterstützung der Schulsozialarbeit und Kinderbetreuung existieren bereits etablierte Finanzierungswege, die einen unkomplizierten Mittelfluss erlauben und hohe Verbindlichkeit besitzen, um einen zielgemäßen Mitteleinsatz zu gewährleisten. Für die Mitfinanzierung der Schulsozialarbeit bietet sich demnach eine erhöhte KdU-Beteiligung des Bundes an. Die Aufstockung des Bundesanteils an den Betriebskosten der Kinderbetreuung kann hingegen über die bestehende Umsatzsteuerregelung erreicht werden. Die Bundes-SGK geht davon aus, dass sich hieraus insgesamt ein Volumen von einem Drittel der in Rede stehenden Mittel ergibt, also mindestens 2 Mrd. EUR für die Schulsozialarbeit und den Kitaausbau bis 2017 zur Verfügung stehen müssten.

(3) Umsetzung der Vorabentlastung bis zur Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes

Die jährlich 1 Mrd. EUR, die laut Koalitionsvertrag auch schon vor der Beteiligung des Bundes an der Eingliederungshilfe die Kommunen von Sozialausgaben entlasten soll, muss konsequenterweise im Sozialbereich angesiedelt werden. Als Weg ist dafür eine (zusätzliche) Erhöhung des KdU-Bundesanteils sachgerecht. Dies würde im Übrigen gewährleisten, dass die Mittel aufgrund der gegebenen Sozialkostenbelastung besonders bedürftigen Kommunen stärker zugute kommen.

Für die Umsetzung muss eine zügige Klarstellung erfolgen, wann, ob schon im Jahr 2014 und vor allem auf welchem Weg mit diesen Mitteln gerechnet werden kann. Der Koalitionsvertrag legt eine erstmalige Zuweisung für 2014 nahe, da die letzte Stufe der Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund bereits beschlossen und fest eingeplant ist. Diese Frage und die baldige Fixierung des Entlastungswegs sind für zahlreiche Kommunen und gerade jene, die sich in einer schwierigen Haushaltslage befinden, von ganz praktischer Relevanz. Beides spielt vor Ort bei der Etatplanung und für Konsolidierungspläne eine wichtige Rolle und entscheidet somit schon heute über konkrete Ausgaben und Investitionen der nächsten Jahre – auch und gerade im Bildungs- und Infrastrukturbereich.

(4)       Entlastung der Kommunen von den Kosten der Eingliederungshilfe

Das zentrale Vorhaben in dieser Legislaturperiode zur Entlastung der Kommunen ist die Reform der Eingliederungshilfe und im Rahmen dessen die Übernahme von jährlich 5 Mrd. EUR der Kosten durch den Bund. Dabei sind fachliche Ziele ebenso wie die Interessen der betroffenen Menschen zu berücksichtigen. So sollen die Hilfebedürftigen aus dem bisherigen

Fürsorgesystem herausgeführt und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt werden, ohne hierdurch eine neue Ausgabendynamik aufgrund unkalkulierbarer Leistungsansprüche auszulösen. Deshalb muss eine Reform der Eingliederungshilfe auch dazu führen, dass die Leistungsstrukturen und Kostenentwicklung ohne Benachteiligung der Hilfebedürftigen besser und effizienter gesteuert werden können. Zugleich ist sicher zu stellen, dass die dezentralen Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Kommunen und Leistungsträger nicht eingeschränkt werden.

Die Komplexität des Vorhabens macht es unbedingt erforderlich, dass mit den Vorbereitungen zu einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren zügig und zwar noch im Jahr 2014 begonnen wird. Auch im Interesse der betroffenen Menschen muss es dabei das Ziel sein, ein Bundesteilhabe- bzw. Bundesleistungsgesetz bis 2016 zu verabschieden. Die zugesagte Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe muss von da an greifen und so ausgestaltet sein, dass sie als Entlastung bei den Kommunen ankommt.

Die Bundes-SGK bekräftigt ihre Auffassung, dass ein Bundesteilhabegeld als pauschalierter und der Eingliederungshilfe vorgelagerter Nachteilsausgleich wesentlicher Bestandteil einer gesetzlichen Neuregelung sein sollte. Das Bundesteilhabegeld muss vollständig vom Bund übernommen werden, sofern andere Lösungen zur Kostenübernahme oder quotalen Beteiligung des Bundes ausscheiden und entsprechende rechtliche Voraussetzungen nicht geschaffen werden können. Darüber hinaus sind Leistungsbegrenzungen der Pflegeversicherung für Menschen mit Behinderung aufzuheben. Zu weiteren Reform- und Regelungserfordernissen, die insbesondere Überschneidungsbereiche und Schnittstellen zu anderen Sozialleistungen betreffen, sollen verbindliche Evaluationsaufträge und Schritte für die kommenden Jahre festgelegt werden.

(5) Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Die von den Koalitionspartnern auf Bundesebene verabredete Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen muss zügig eingesetzt werden. Die Bundes-SGK unterstützt dabei die Behandlung von erweiterten, auch aufgabenbezogenen Fragestellungen, wie dies von den Ländern gefordert worden ist. Darüber hinaus müssen die kommunalen Belange der Finanzausstattung von Städten, Gemeinden und Kreisen, ihr Einbezug in die Steuerverteilung sowie die Bekämpfung zunehmender Heterogenität und struktureller Verwerfungen im Bundesgebiet Berücksichtigung finden.

Einvernehmlich mit den kommunalen Spitzenverbänden tritt die Bundes-SGK dafür ein, die Formulierung im Koalitionsvertrag, die einen Einbezug der Kommunen bei den Verhandlungen vorsieht, effektiv umzusetzen. Das heißt:

  • Es muss eine vollständige und selbstbestimmte Mitberatung der Kommunen geben.
     
  • Mit einer vollständigen Mitberatung verbinden sich eine Mitwirkung von Anfang an und die Möglichkeit, sich mit Rede- und Antragsrecht materiell einzubringen.
     
  • Gerichtet an die jeweiligen Präsidenten, soll von den drei kommunalen Spitzenverbänden je ein Vertreter entsandt und selbständig bestimmt werden können, mit der Möglichkeit von Vertretungsregelungen.

In Anbetracht der Vielzahl, Komplexität und des hohen Zeitbedarfs der in der Kommission

zu behandelnden Themen müssen drängende Fragen vorher geklärt werden. Dies gilt insbesondere für die Anschlussregelungen bei den Entflechtungsmitteln und für die Fortsetzung des GVFG-Bundesprogramms über 2019 hinaus. Hier sind zeitnah bis zur Mitte der Legislaturperiode Entscheidungen notwendig, um für bereits laufende und projektierte Vorhaben Investitionssicherheit zu gewährleisten.

Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK

vom 21. Februar 2014