DEMO Impulse Nr. 7 / Juni 2017 "Bildungspolitik in den Kommunen"

Autor/innen: 
Saskia Esken, Jörg Freese, Klaus Hebborn, Reiner Prölß, Elisabeth Ries, Dr. Manfred Sternberg
Erscheinungsjahr: 
2017

Wer „kommunale Bildungspolitik“ hört, der stutzt vielleicht zunächst. Bildungspolitik unterliegt schließlich der Kulturhoheit der Länder und Kommunen sind als Träger von Schulen doch eher für die Bereitstellung der „hardware“ zuständig und weniger für bildungspolitische Agenda und Umsetzung derselbigen, oder? Dass diese Vorstellung zu kurz gedacht und wenig zeitgemäß ist, wird in den Beiträgen dieses Heftes mehr als deutlich. Bildung in der Kommune besteht weder nur aus Schule, noch beschränkt sich kommunales Engagement auf die bloße Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur. Vielmehr beinhaltet Bildungspolitik in den Kommunen eine Landschaft verschiedener Institutionen, Akteure und Maßnahmen. Der Begriff „Bildungslandschaft“ ist durch die Streitschrift des Bundesjugendkuratoriums „Zukunft sichern! – Für ein neues Verhältnis von Bildung und Jugendhilfe“ im Dezember 2001 Gegenstand bildungspolitischer Überlegungen geworden. Im 12. Kinder- und Jugendbericht (2005) ist die Idee der „kommunalen Bildungslandschaft“ bereits ein theoretisch hinterlegtes Modell. Mit dem Begriff der Landschaft verbunden ist eine Betrachtung aus der Vogelperspektive auf die verschiedenen Orte, an denen formale, nonformale und informelle Bildungsprozesse stattfinden. Der Topos der „Bildungslandschaft“ verändert somit den stark vom Denken in und aus Institutionen geprägten Blick („die Schule“, „der Kindergarten“, „die Kinder- und Jugendarbeit“, „die Erwachsenenbildung“ etc.) und betrachtet die verschiedenen Bildungsorte, die für das Aufwachsen der Kinder- und Jugendlichen, für gelingende Bildungswege gemäß den individuellen Neigungen und Potenzialen und für Teilhabe an Bildung im gesamten Lebenslauf bedeutend sind.

Diese Betrachtung entzieht sich – zumindest vorerst – dem Kompetenz- und Zuständigkeitsgerangel z.B. der unterschiedlichen föderalen Ebenen, Rechts- und Regelungskreise oder Ressorts, indem sie das jeweilige Individuum im biografischen Verlauf und mit seinem persönlichen Umfeld in den Mittelpunkt stellt. Mit der analytischen Draufschau fällt auch ins Auge, ob die verschiedenen Orte des Aufwachsens miteinander in Verbindung und in Beziehung stehen. Wie bei einer Abbildung der Landschaft auf einer Landkarte werden weiße Flecken und fehlende Verbindungen deutlich und zeigen Handlungsbedarfe an. Ende 2007 haben sich die Städte im Deutschen Städtetag mit der sog. „Aachener Erklärung“ das Konstrukt der „kommunalen Bildungslandschaft“ als Leitbild für das bildungspolitische Engagement der Städte und Gemeinden zu eigen gemacht, Bildung als „zentrales Feld der kommunalen Daseinsvorsorge“ für sich reklamiert und eine stärkere Verantwortung für die Städte in der Bildung eingefordert. Diese Verantwortung sollte sich auch auf mehr Einflussmöglichkeiten für die inneren Schulangelegenheiten beziehen (Schulkonzepte, Unterricht etc.), die in der Zuständigkeit der Länder liegen. Insbesondere aber nahmen sich die Kommunen vor, die dem umfassenden, lebenslangen Bildungsbegriff innewohnenden Gestaltungsspielräume der Kommunen zu nutzen, etwa die musisch-kulturelle Bildung  oder die Erwachsenenbildung betreffend. Die Münchner Erklärung „Bildung gemeinsam verantworten“ (2012) des Deutschen Städtetags anlässlich des gleichnamigen Kongresses unterstrich dieses neue kommunale Selbstverständnis und signalisierte die Bereitschaft, Verantwortung für bildungs- und damit auch schulpolitische Fragen zu übernehmen.

In diesem Heft berichten Reiner Prölß und Elisabeth Ries über die Herausforderungen der Gestaltung einer kommunalen Bildungslandschaft in Nürnberg und ziehen eine (Zwischen)Bilanz der Bemühungen. Jörg Freese plädiert für mehr kommunale Verantwortung in der Bildung und stellt verschiedene Facetten einer kommunalen Bildungslandschaft vor. Klaus Hebborn legt in seinem Beitrag dar, warum Bildung und Kultur längst nicht mehr als „weiche“ Standortfaktoren gehandelt werden, sondern unabdingbar für eine erfolgreiche Stadtentwicklung sind. Dass die digitale Zukunft längst da ist und demzufolge die Gestaltung von und der Zugang zu digitaler Bildung auch im Sinne einer Chancengerechtigkeit zwingend notwendig sind, zeigt Saskia Esken in ihrem Beitrag auf. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, in der Kommunen ihren Gestaltungsspielraum nutzen sollten! Allen Leserinnen und Lesern viel Vergnügen bei der Lektüre dieses Heftes und viel Tatkraft bei der Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften.