DEMO Impulse Nr. 6 / März 2017 "Verkehrswende und Mobilität in den Kommunen"

Autor/innen: 
Tjark Bartels, Jürgen Fenske, Constantin Grosch, Matthias Knobloch, Oliver Mietzsch, Dr. Manfred Sternberg
Erscheinungsjahr: 
2017
Demo Impulse Nr. 6 März 2017

Der im Herbst 2016 verabschiedete Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung enthält konkrete Klimaschutzziele für einzelne Bereiche. So heißt es in der begleitenden Pressemitteilung der Umweltministerin Barbara Hendricks: „Der Verkehrsbereich wird mit 40 bis 42 Prozent zum 2030er Klimaziel beitragen. Eine Reihe von Klimaschutzkonzepten soll hierfür Maßnahmen aufzeigen, etwa ein Klimaschutzkonzept Straßenverkehr. Alternative Antriebe, der ÖPNV, der Schienenverkehr und der Rad- und Fußverkehr aber auch eine Digitalisierungsstrategie werden eine wichtige Rolle spielen.“

Die Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs ist unverzichtbar, um ein nachfragegerechtes und funktionsfähiges Gesamtverkehrssystem zu schaffen, welches die vorhandenen Mobilitätsbedürfnisse befriedigt und die Umweltbelastungen minimiert. Die Bewältigung der Mobilitätserfordernisse durch den Individualverkehr stößt an ihre Grenzen. Deshalb stellt der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) einen wesentlichen Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge dar, dessen Finanzierung auch durch Bund und Länder gewährleistet werden muss.

Neben diesem an den Mobilitätsbedarfen orientierten Grundziel jeder sozialdemokratischen Verkehrspolitik, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist der Verkehrssektor auf dem Weg in eine neue Welt, die technologiegetrieben weitreichende gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen wird. Dabei ist die Verkehrswende vielleicht als die große Schwester der Energiewende zu betrachten, wenn wir uns allein überlegen, welche Bedeutung die Automobilindustrie für die deutsche Gesellschaft einnimmt. Hier stehen langfristig wirkende Innovationsschübe bevor. Wir reden dann über nicht weniger als das Ende des Verbrennungsmotors, der Ausbreitung der autonom fahrenden Fahrzeuge, einer gesamtlogistischen Steuerung multimodaler Reise-und Transportketten. Aus der Perspektive des Klimaschutzes und der Energiewende zu einer Welt, in der die Energieproduktion sich auf die Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen konzentriert, wird die Verkehrswende durch die Möglichkeiten der Sektorenkoppelung getrieben. Elektrisch betriebene Fahrzeuge sind zugleich mögliche Speicher einer volatilen von Wind und Sonne abhängigen Stromproduktion. Erneuerbar erzeugte Energie kann den Energiehunger der Fahrzeuge sättigen und schädliche Emissionen vermeiden.

Das darf uns nicht davon abhalten, die notwendigen Schritte in der heutigen Welt zu gehen, um aus der Grundbedingung eines funktionierenden Verkehrssystems stetig das Morgen zu entwickeln. Verkehrsentwicklungsplanung mit dem Ziel der Verkehrsvermeidung als Bestandteil einer integrierten Stadtentwicklungsplanung hat sich genauso wenig erübrigt wie die notwendige Stärkung des Verbundes von ÖPNV, Rad- und Fußwegen.

Matthias Knobloch wirft in seinem einführenden Artikel einen Blick auf Rahmenbedingungen und Anforderungen an eine Verkehrswende. Jürgen Fenske konkretisiert aus der Sicht eines Branchenverbandspräsidenten, welche Forderungen an die Bundespolitik gerichtet werden müssen, um dem Grundanliegen einer Stärkung von Bus und Bahn zu genügen. Tjark Bartels und Constantin Grosch zeigen am Beispiel des Landkreises Hameln-Pyrmont auf, welche politischen Gestaltungsmöglichkeiten auf Kreisebene bestehen, um unter gegebenen Bedingungen den ÖPNV zu stärken. Schließlich geht Oliver Mietzsch in seinem Beitrag der Frage nach, wie eine weitere Finanzierungssäule der öffentlichen Verkehre aussehen könnte. Er plädiert für einen gesetzlich abgesicherten Beitrag einer Nutznießerfinanzierung für die Straßenbahnen, O-Busse und U- sowie Stadtbahnen in Städten, die aufgrund der hier­durch bereitgestellten Massentransportkapazität das Rückgrat eines nachhaltigen kommunalen Verkehrsangebotes darstellen. In Anbetracht der andauernden Finanzierungsnöte im Verkehrssektor werden wir nicht umhin kommen, solche Ansätze sehr ernsthaft im politischen Raum zu diskutieren.