Positionspapier
Beschlüsse Vorstand

Positionspapier "Zuwanderung und Integration – Bund und Länder müssen jetzt rasch handeln!"

25. September 2015

Mit der Zunahme der Flüchtlingszahlen im Sommer 2015 ist deutlich geworden, dass allein zur Bewältigung der aktuellen Anforderungen zur Unterbringung und Integration der Flüchtlinge und Asylbegehrenden der Handlungsbedarf auf allen politischen Ebenen immer dringlicher geworden ist.

In den Kommunen haben wir es mit den konkreten Aufgaben zu tun, wenn es darum geht, die immer größere Zahl zu uns kommender Menschen würdig unterzubringen und zu empfangen. Hier wurde bis zum heutigen Tag Außerordentliches geleistet, was ohne die mannigfaltige Unterstützung der Bevölkerung und ihrem bürgerschaftlichen Engagement kaum hätte erreicht werden können. Diesen Menschen gebühren unser Dank und unsere Unterstützung.

Die nicht ausreichenden Kapazitäten einer Erstaufnahme von Flüchtlingen auf Ebene der Länder haben oft zu einer frühzeitigen Weiterleitung der Flüchtlinge in die Landkreise, Städte und Gemeinden geführt, ohne dass eine sachgerechte Registrierung und Aufnahme von Asylverfahren erfolgt ist. Es besteht eine unabdingbare Notwendigkeit, die Erstaufnahme und die Bearbeitung von Asylanträgen zu verbessern und zu beschleunigen. Die bisherige Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingsfragen in der Verantwortung des Bundesinnenministers ist völlig unzureichend, genauso wie das Fehlen jedweder Koordinierungsleistungen seitens des Bundesinnenministeriums.

Die Bundes-SGK begrüßt deshalb die vom Koalitionsausschuss der Großen Koalition am 6. September 2015 und bei der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015 beschlossenen Maßnahmenbereiche, zu denen noch in diesem Herbst die erforderlichen Gesetzesbeschlüsse gefasst werden sollen. Ebenso begrüßt die Bundes-SGK die jüngsten Aktivitäten auf europäischer Ebene, um die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Stabilisierung der Transitländer und eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik voranzubringen. Für die Bundes-SGK bleibt das Grundrecht auf Asyl unantastbar.

Folgende Punkte sind für die Kommunen bei der Umsetzung der Beschlüsse des Koalitionsausschusses am 6. September 2015 und der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am
24. September 2015 von besonderer Bedeutung:

1.    Die Bundes-SGK begrüßt die Verständigung auf eine dauerhafte und dynamische Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterbringung der Asylbegehrenden ab 2016. Dieses wird in Form einer Pauschale pro Flüchtling und Asylbegehrenden geschehen. Dabei soll ein monatlicher Betrag in Höhe von 670,- Euro/pro Kopf vom Tag der Erstregistrierung bis zum Abschluss des Asylverfahrens vom Bund übernommen werden. Bei einer durchschnittlichen Dauer der Antragsbearbeitung von 5 Monaten und einer Zahl von 800.000 Asylbegehrenden errechnet sich so ein Betrag in Höhe von rund 2,68 Mrd. Euro, der den Ländern als Abschlagszahlung für 2016 zur Verfügung gestellt wird. Ende 2016 erfolgt eine Spitzabrechnung, die wiederum Grundlage für einen Abschlag für 2017 sein wird. Darüber hinaus wird die bereits in 2015 gewährte Soforthilfe von zweimal 500 Mio. Euro noch einmal um eine Milliarde Euro aufgestockt.

Wir fordern weiterhin eine vollständige Erstattung aller den Kommunen entstehenden Kosten der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern durch Bund und Länder. Deshalb müssen jedenfalls die den Ländern vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel zur Entlastung der Kommunen ungeschmälert an diese weitergeleitet werden. Dieses sollte transparent und bundeseinheitlich geschehen. Hier erwarten die Kommunen eine deutliche Unterstützung seitens der Bundespolitik.

2.    Die Bundes-SGK begrüßt ebenfalls, dass der Bund sich zur Finanzierung der Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bereit erklärt hat, jährlich 350 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen. Damit erhält der Gesetzentwurf der Bundesfamilienministerin zur Neureglung der Verteilung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger, der nunmehr bereits am 1. November 2015 in Kraft treten soll, auch eine fiskalische Untersetzung. Diese Gelder müssen bei den Kommunen ankommen, damit sie die Strukturen schaffen können, die den Ansprüchen an eine adäquate Unterbringung und Integration der Betroffenen genügen.

3.    Für eine dauerhafte Integration ist die Frage des verfügbaren und bezahlbaren Wohnraums eine entscheidende Frage. Deshalb begrüßt die Bundes-SGK, dass die Mittel für die soziale Wohnraumförderung seitens des Bundes in den Jahren 2016 bis 2019 um weitere 500 Mio. Euro jährlich deutlich erhöht werden sollen. Damit beträgt der Finanzierungsanteil des Bundes an den Kosten der sozialen Wohnraumförderung jährlich mehr als eine Milliarde Euro. Die Bundes-SGK fordert die Länder auf, diese Mittel auch zweckgerichtet einzusetzen. Um Konkurrenzen zwischen den verschiedenen Nachfragen nach preiswertem Wohnraum an den Wohnungsmärkten zu vermeiden, müssen die Länder diese Mittel mit eigenen Mitteln noch einmal deutlich verstärken.

4.    Der versprochene Ausbau der Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder und die Beschleunigung der Asylverfahren müssen zügig erfolgen, damit Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive nicht in die Kommunen weitergeleitet werden. In der jetzt getroffenen Vereinbarung verpflichten sich Bund und Länder dazu, Asylbewerber und Flüchtlinge erst nach förmlicher Antragstellung auf die Kommunen verteilen zu wollen. Die Bundes-SGK begrüßt diese Absicht als Schritt in die richtige Richtung. Hier muss es bereits in den nächsten Wochen zu spürbaren Verbesserungen kommen. Ziel muss es bleiben, dass eine Weiterleitung in die Kommunen erst nach positiven Abschluss der auf drei Monate verkürzten Verfahren erfolgt.

5.    Um die Gesundheitsversorgung aus humanitärer Sicht zu verbessern und die Kommunen von den damit verbundenen Kosten zu entlasten, hat sich die Bundes-SGK bisher für die Einführung einer bundesweit geltenden Gesundheitskarte ausgesprochen. Nunmehr hat die CDU/CSU ihren grundsätzlichen Widerstand gegen eine Gesundheitskarte für die Flüchtlinge aufgegeben. Diese sollen von den Ländern eingeführt werden. Der Bund schafft die gesetzlichen Voraussetzungen dafür. Die gesetzlichen Krankenkassen werden verpflichtet, gegen Kostenerstattung die Krankenbehandlungen bei Asylbewerbern zu übernehmen. Dadurch werden die Sozialhilfeträger deutlich entlastet.

6.    Um den Teil der Zuwanderung, der aus asylrechtlicher Sicht keine Bleibeperspektive besitzt, Chancen für eine legale Zuwanderung in den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen, brauchen wir Regeln für eine Zuwanderungsoption bei Aufnahme einer vertraglich gesicherten Beschäftigung oder Ausbildung in Deutschland. Dieses Ziel muss zügig instrumentiert werden und in den Herkunftsländern bekannt gemacht werden.

7.    Um die Integration in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen, bedarf es einer frühzeitigen Feststellung der sprachlichen und beruflichen Kompetenzen der Flüchtlinge. Dieses sollte bereits im Rahmen der Erstaufnahme von der Bundesagentur für Arbeit vorgenommen werden. Die Bundes-SGK begrüßt die Öffnung der Integrationskurse für Asylbegehrende mit Bleibeperspektive und die geplante verstärkte Vernetzung mit berufsbezogenen Sprachkursen.

8.    Sehr zu begrüßen ist auch die Verabredung, dass der Bund die Mittel, die durch den Wegfall des Betreuungsgeldes im Bundeshaushalt frei werden, dazu genutzt werden sollen, Länder und Kommunen bei der Verbesserung der Kinderbetreuung zu unterstützen. Die Mittel sollen, wie die Bundesmittel zur Unterstützung der Kommunen bei den laufenden Kosten der Kinderbetreuung, über Umsatzsteueranteile an die Länder gegeben werden.

Nach der erfolgreichen Einigung ist jetzt rasches und konsequentes Handeln gefordert, damit wir in den Kommunen zeigen können, dass das Einwanderungsland Deutschland dazu in der Lage ist, seinen solidarischen Beitrag zur Lösung der aktuellen Flüchtlingsfragen beizutragen.

Die Länder sind aufgefordert, die ihnen vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel zügig zur Entlastung an die Kommunen weiterzugeben! Darüber hinaus müssen Bund und Länder dafür Sorge tragen, dass die Regelsysteme, wie Schule, Jugendhilfe, Arbeitsförderung, Gesundheitsversorgung, der Organisation des bürgerschaftlichen Engagements u.a.m. entsprechend dem gewachsenen Bedarf gemäß den Verabredungen des Gipfels ausgestattet werden.

Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK
vom 25. September 2015