Positionspapier
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Positionspapier "Zukunft der Stromverteilnetze - Anforderungen an die Gesetzgebung"

21. Februar 2014

Die Stromverteilnetze im Zusammenhang mit der Energiewende

Die Verteilernetze sind das Rückgrat der Energiewende vor Ort, da der Zubau erneuerbarer Energien eine zunehmende Dezentralisierung des Energieversorgungssystems bewirkt.

(Koalitionsvertrag, S.42)

Die Erneuerung und Modernisierung der örtlichen und regionalen Verteilnetze ist eine wesentliche Aufgabe, um die Aufnahme noch größerer Mengen Strom aus Erneuerbaren Energie in die Netze zu verbessern. Dazu gehören insbesondere Regelungstechnologien, wie z.B. der regelbare Ortsnetztrafo, mit dem unterschiedliche Spannungen im Netz bei unregelmäßiger Einspeisung ausgeglichen werden können. Erforderlich ist außerdem der Ausbau vorhandener und die Entwicklung neuer Speichertechnologien, die eine Rückführung gespeicherter Energie in das Stromnetz in Zeiten zu geringer Produktion aus Wind und Sonne sicherstellen können. (…)

Um die erhöhten Anforderungen an das Lastmanagement in den regionalen und örtlichen Verteilnetzen zu bewältigen, müssen bei einer wachsenden Vielzahl von Stromproduzenten und Verbrauchsstellen Informationen gebündelt werden. Insofern bedürfen die Netze einer informationstechnologischen Untersetzung, etwa durch den Einsatz von vernetzbaren Stromzählern (Ausbau zu einem Smart-Grid mit Smart-Metern).

In diesem Zusammenhang sollten auch die Möglichkeiten einer stärkeren zeitlichen Steuerung der Nachfrage (Demand-Side-Management) durch z.B. differenzierte Tarifstrukturen oder die Prämierung der Abschaltung von Großverbrauchsstellen in Spitzenlastzeiten genutzt werden. (…)

Deutschland befindet sich hier am Anfang eines Prozesses des technologischen Umbaus des Energieversorgungssystems, in dem zunächst die Entwicklung der Energieerzeugungsanlagen im Mittelpunkt des Interesses stand. Inzwischen ist erkannt worden, dass die Modernisierung der Netze und ihrer Regelung sowie die Integration von Speichertechnologien eine weitere zentrale Aufgabe in der Energiewende darstellen. Hierbei spielen die örtlichen und regionalen Verteilnetze eine entscheidende Rolle.

(Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 15./16. Februar 2013)

Aus Sicht der Bundes-SGK besteht in diesem Zusammenhang in zwei Themenfeldern ein besonderer, auch gesetzgeberischer Handlungsdruck, um zügig Investitions- und Rechtssicherheit herzustellen:

  • Die Modernisierung der Verteilnetze und die Berücksichtigung von Investitionen im Kontext der Anreizregulierung der Netzentgelte
  • Die rechtlichen Rahmenbedingungen von Kommunalisierungen des Netzbetriebs im Zuge eines Konzessionierungsverfahrens

Ein drittes Themenfeld liegt aus kommunaler Sicht bei der Frage einer nachhaltigen Sicherung des Konzessionsabgabevolumens:

Für die Kommunen ist eine Sicherung der Höhe der Konzessionsabgaben eine fiskalische Notwendigkeit. Wir streben eine Novellierung der Konzessionsabgabenverordnung mit einer mengenunabhängigen Konzessionsabgabe an, damit Energiesparen sich nicht schädlich auf die Konzessionsabgabe auswirkt.“

(Beschluss des Bundesparteitags der SPD am 14. bis 16. November 2013 „Starke Kommune für ein gerechtes Land“, S.12)

1. Modernisierung der Verteilnetze – Investitionen im Kontext der Anreizregulierung

Ausgangslage:

Die 2009 in Deutschland eingeführte Anreizregulierung soll Betreiber von Strom- und Gasnetzen zur stärkeren Hebung von Effizienzpotenzialen bewegen. Deshalb werden die im Rahmen der Anreizregulierung für Fünfjahreszeiträume durch die Bundesnetzagentur zu genehmigenden Erlösobergrenzen an den Kosten des besten Netzbetreibers ausgerichtet, um so den betriebswirtschaftlichen Druck auf die Netzbetreiber entsprechend zu erhöhen. Die derzeitige Ausgestaltung dieses Mechanismus mag zwar den beabsichtigten Druck zur Effizienzsteigerung ausüben, führt aber zu unerwünschten Nebeneffekten.

Das System der Anreizregulierung steht den notwendigen Investitionen zur Erhaltung und Modernisierung der Verteilnetze im Wege und führt zu deutlichen Verzögerungen im Investitionsverhalten bzw. zu einem unerwünschten Investitionsattentismus, da die entsprechenden Investitionen nicht zeitnah in den Erlösobergrenzen berücksichtigt werden.

Ziele:

Durch eine Weiterentwicklung der Netzentgeltregulierung an den Erfordernissen der Investitionen in den Netzausbau und deren informationstechnischen Unterlegung muss sicher gestellt werden, dass bessere Investitionsanreize für die Verteilnetze gesetzt werden.
(Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 15./16. Februar 2013)

Die Koalition wird die Rahmenbedingungen für die Verteilernetze investitionsfreundlich ausgestalten, damit Investitionen zeitnah refinanziert werden können. Investitionsbudgets in den Verteilernetzen werden wir prüfen. Die Versorgungssicherheit hat weiterhin Priorität. Investitionen durch Netzbetreiber sollen getätigt werden können, wenn sie erforderlich sind. Mit dem Evaluierungsbericht der Bundesnetzagentur zur Anreizregulierung und der Netzplattform-Studie „Moderne Verteilnetze für Deutschland“ werden wir 2014 über eine ausreichende Datenbasis für Entscheidungen zu notwendigen Weiterentwicklungen der Anreizregulierung verfügen.
(Koalitionsvertrag, S. 42)

Vorschläge zur Verbesserung:

Aus Sicht der Bundes-SGK ließe sich hier bereits sofort eine Änderung in der Anreizregulierungs-verordnung (ARegV) umsetzen, wie sie auch seitens des Bundesrates im Juli 2013 in einer Entschließung (BR-Drs. 447/13) vorgeschlagen wurde.

Die Einführung eines Modells der Investitionskostendifferenz haben die von CDU und SPD geführten Bundesländer bereits im Juni 2013 im Wirtschaftsausschuss des Bundesrates empfohlen. Dieses Modell sähe eine jährliche Anpassung der Erlösobergrenzen auf der Grundlage der tatsächlich erfolgten Investitionen vor. Die Vorteile eines solchen Modells wären: die Beseitigung des bis zu 7-jährigen Zeitverzugs für die Refinanzierung erforderlicher Investitionen in den Umbau der Verteilernetze, die Gewährleistung der notwendigen Investitionssicherheit und somit mehr Flexibilität für die Investitionsentscheidungen.

2. Rekommunalisierung der Stromnetze

Ausgangslage:

Vielerorts besteht in der Kommunalpolitik die Absicht bei auslaufenden Konzessionsverträgen mit der Übernahme der Netzkonzession durch kommunale Unternehmen einen

Rekommunalisierungsprozess in der Energieversorgung anzustoßen. Damit verbinden sich Hoffnungen auf mehr Mitbestimmung in der Gestaltung der örtlichen und regionalen Energieversorgung, eine Stärkung des Allgemeinwohls und der regionalen Wertschöpfung. In den letzten Jahren haben sich viele Kommunen auf den Weg gemacht, Aufgaben der Daseinsvorsorge wieder verstärkt in eigene Hände zu nehmen und Infrastrukturen zurückzuerwerben sowie eigene Stadt- oder Gemeindewerke zu gründen. Dieser Trend wird zunehmend durch die Praxis einzelner Regionalversorger verstärkt, sich von ihren Netzbeteiligungen zu trennen.

Die Bundes-SGK hat darauf hingewiesen, dass Rekommunalisierungen komplexe Verfahren sind, die einer Einzelfallprüfung und Machbarkeitsstudie bedürfen. Aus Sicht der Kommunen sollten Rekommunalisierungen aber grundsätzlich im Sinne einer Ausübung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts möglich sein. Aus den Erfahrungen laufender Rekommunalisierungsverfahren ergibt sich allerdings auch eine gewisse Rechtsunsicherheit, die durch die jüngste Rechtssprechung des BGH im Dezember 2013 noch einmal vergrößert wurde. Daran schließt sich die Frage an, inwieweit hier ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, um die Position der Kommunen zu stärken und mehr Rechtssicherheit zu schaffen.

Ziele:

Das Energiewirtschaftsrecht muss insbesondere hinsichtlich des angemessenen Netzkaufpreises sowie der fehlerhaften Verweisung auf §1 EnWG novelliert werden, um das Recht auf kommunale Selbstverwaltung im Konzessionswettbewerb zu wahren.
(Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 15./16. Februar 2013)

Wir werden die Bewertungsverfahren bei Neuvergabe (z.B. bei der Rekommunalisierung) der Verteilernetze eindeutig und rechtssicher regeln sowie die Rechtssicherheit im Netzübergang verbessern.“

(Koalitionsvertrag, S.43)

Weiteres Vorgehen:

Es ist vor dem Hintergrund der schriftlichen Begründung des BGH-Urteils KZR 65/12 und KZR 66/12 vom 17. Dezember 2013 noch einmal zu prüfen, welche einzelnen Veränderungen im Rechtsrahmen erforderlich und angemessen sind, um die genannten Ziele umzusetzen. Hierzu bestehen sowohl seitens der kommunalen Spitzenverbände als auch des Verbandes kommunaler Unternehmen bereits konkrete Vorschläge.

Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK

vom 21. Februar 2014