Beschlüsse Delegiertenversammlung

Positionspapier "Wir wollen ein Zukunftsbild für unsere Innenstädte zeichnen"

1. Februar 2022

Wir wollen ein Zukunftsbild für unsere Innenstädte zeichnen

Beschluss der digitalen Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 22. Januar 2022

Wiederbelebung und Stärkung unserer Innenstädte sichern!

Unsere Innenstädte befinden sich u.a. durch die Digitalisierung, die Verkehrswende und den zunehmenden Online-Handel mitten in einem grundlegenden Wandel, wie wir ihn in der Geschwindigkeit und Breite in unseren teilweise Jahrhunderte alten Innenstädten noch nie erlebt haben. Die neue Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, möglichst gemeinsam mit den Ländern dauerhafte Programme zur Begleitung dieses Wandels mit dem Ziel der Stärkung unserer Innenstädte und Zentren als Nukleus unseres sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Gemeinwesens aufzulegen. Unsere Innenstädte müssen lebendige Zentren unserer Städte bleiben, sie müssen sich zu Wohlfühlräumen für alle Generationen entwickeln können und Mittelpunkt für Wohnen, Dienstleistung und Einzelhandel der Zukunft werden. Dafür bedarf es einer großen gesellschaftlichen Verständigung vor Ort und der Schaffung einer Aufbruchsstimmung. Diese zusätzliche Aufgabe den Wandel der Innenstädte zu begleiten und zu organisieren, vorzudenken und mit der Bevölkerung und den Stakeholdern der Kommune zu kommunizieren, ist der überwiegenden Mehrheit der Kommunen ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung nicht möglich. Nicht nur die Kommunen, die noch unter teilweise erheblichen Schulden leiden, sondern auch nahezu alle anderen sind durch die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie in den kommenden Jahren nicht in der Lage diese herausragende Zukunftsaufgabe ohne zusätzliche Mittel zu bewältigen. Es bedarf deshalb auch der langfristigen Unterstützung des Bundes und der Länder.
Ein Bundesförderprogramm in Milliardenhöhe sollte eine Laufzeit von mindestens 5 Jahren haben.
Die Bundes-SGK kann sich dabei folgende Förderschwerpunkte vorstellen:

  1. Förderung und Ermöglichung einer vorübergehenden Anmietung leerstehender Ladenlokale durch die Kommunen zur Etablierung neuer Nutzungen im Rahmen eines Verfügungsfonds um kleinteiligen Leerständen entgegenwirken.
  2. Stärkung der aktuell von Filialschließungen großer Warenhäuser betroffenen Städte und Gemeinden, um durch die Konzentration von Immobilien-Knowhow gegenüber den Eigentümern auf Augenhöhe agieren und Nachnutzungsperspektiven entwickeln zu können.
  3. Ermöglichung eines Zwischenerwerbs von Gebäuden durch die Kommunen, um die Verfügungsgewalt über die Objekte zu erlangen, da leerstehende
  4. Einzelhandelsimmobilien oft Gegenstand von Immobilienspekulationen werden.
  5. In Folge von massivem Leerstand müssen die Kommunen in die Lage versetzt werden mit einem ggf. erforderlichen Aufbau eines Verfügungsfonds ein Leerstands- und Zentrenmanagement anzustoßen und Standortgemeinschaften aufzubauen. Die privaten und öffentlichen Akteurinnen und Akteure gehören vor Ort an einen Tisch.
  6. Neben Handel und Dienstleistung soll Wohnen und Leben und kulturelle immaterielle Angebote in den Innenstädten wieder verstärkt ermöglicht und gefördert werden. Innovative Lösungen können die Baustein für einen neuen gesellschaftlichen Mittelpunkt in den Kommunen darstellen.
  7. Das Programm muss mit dem kürzlich verabschiedeten, mit 25 Mio. Euro dotierten Programm (Städtebauförderung) des Bundes für zukunftsfähige Innenstädte kompatibel (additiv) gestaltet werden. Modellprojekte können dem drohenden Niedergang der Zentren und Ortskerne beispielgebend entgegengesetzt werden.
    • Öffentliche Dienstleistungen gehören in die Innenstädte. Mit innovativen Ansätzen der Digitalisierung können Stadtverwaltung Frequenz in die Innenstädte bringen.
    • Das “Rund-um-die-Uhr" mögliche Abholen von Personalausweisen und Reisepässen stellt ein Beispiel dar. Die Anschaffung der sog. “Ausweis-Automaten” stellt viele Städte vor hohe finanzielle Anforderungen. Ein Förderprogramm könnte helfen.
    • Moderne Formen der Beteiligung an Bauleitplanverfahren können die Akzeptanz von öffentlichen Vorhaben stärken. Niedrigschwellige digitale Beteiligungsformate in Bürgerbüros, Stadtmuseen, Stadthallen und Standesämtern könnten Menschen in die Innenstädte locken.
  8. In leerstehenden Gebäuden können temporäre oder dauerhafte Betreuungsangebote für Kinder entstehen und so einen Beitrag zum Erlebniseinkauf für die ganze Familie leisten. Sofern Kindertageseinrichtungen in leerstehenden Gebäude errichtet werden, wird die Förderkulisse für derartige Projekte verbessert.
  9. Die Wochenmärkte in unseren Innenstädten müssen zu Zentren der Nachhaltigkeit und der regionalen Produktion werden. Sie sind schon immer Orte der Kommunikation, der Lebensfreude, des Genusses und der Innovation und müssen beispielgebend für die Innenstadt der Zukunft sein. Eine Verankerung von regionalen Anbietern und Produkten könnte ein wichtiger Ansatz sein.
  10. Attraktive Wohnangebote stärken die Versorgungsfunktion und die Belebung der Innenstadt. Während sich Handel, Dienstleistungen, Gastronomie und ergänzende Nutzungen in den Kernzonen konzentrieren können, bieten insbesondere die Innenstadtradlagen hohes Potential für attraktive Wohnangebote. Bestehende Bebauungspläne sind daher auf ihre Aktualität zu prüfen und erforderlichenfalls zu ändern. In einem ersten Schritt hilft es jedoch auch, Ermessensspielräume auszuschöpfen oder mit Hilfe von Experimentierklauseln Befreiungen zu ermöglichen.
  11. Mit der Umsetzung eines städtebaulichen Rahmenplans kann die Aufenthaltsqualität für die verschiedenen Zielgruppen kontinuierlich erhöht werden. Dabei geht es auch um die Etablierung und den Ausbau von Spiel- und Erlebnismöglichkeiten für Kinder. Etablierte Events, die Stadtführungen und die Kulturevents leisten einen herausragenden Beitrag zur Frequentierung der Innenstadt.
  12. Kreative und nachhaltige Mobilitätskonzepte müssen die Ideen unserer Innenstadt der Zukunft ergänzen.

Begründung:
Der Wandel im Handel ist durch den Corona-bedingten mehrfachen Lockdown flächendeckend in unseren Kommunen sichtbar geworden und hat sich durch die pandemischen Folgen vielfach beschleunigt. Die Innenstädte und Ortskerne sind aber das Herz unserer Städte, sie sind die „guten Stuben” unserer Städte! Dieses Herz darf nicht stehen bleiben! Viele Städte haben sich bereits vor der Pandemie auf den Weg begeben, ihre Innenstädte in die Zukunft zu führen, bspw. im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms “Lebendige Zentren – Erhalt und Entwicklung der Stadt- und Ortskerne”. Aber die Städtebaufördermittel und erforderliche Innenstadt-Förderprogramme dürfen sich nicht im Weg stehen und müssen aufeinander abgestimmt werden. Wenngleich wir den Online-Handel nicht zurückdrehen können und wollen, wehren wir uns dagegen, dass der Online-Handel für seine Expansion die von den Kommunen geschaffene und aufrechterhaltene Infrastruktur in der Regel ohne irgendeinen Ausgleich nutzt und zudem den stationären (Einzel-) Handel schädigt, der diese Infrastruktur solidarisch durch Steuern und Abgaben mitfinanziert. Viele Einzelhändlerinnen und -händler bangen um die Zukunft ihrer Beschäftigten und um ihre eigene Existenz. Handel, Begegnung, Kommunikation, Kunst und Kultur, Aufenthaltsqualitäten, Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung und vieles mehr prägen seit Jahrhunderten unsere Innenstädte und Ortskerne. Dem Wandel in der Einkaufskultur wollen und werden wir uns nicht entgegenstellen (können), aber wir fordern eine gesamtgesellschaftliche Mitwirkung an den erforderlichen Transformationsprozessen, der alle unsere Städte in unterschiedlicher Weise und Geschwindigkeit treffen wird. Es geht uns daher darum, den Wandel in unseren Innenstädten und Zentren pro-aktiv, innovativ und mutig zu begleiten. Ein Sofortprogramm des Bundes und der Länder an dem sich auch die Kommunen im gleichen Umfang beteiligen sollten, muss diesen Wandel begleiten und zur Stärkung und ggf. teilweiser Neuausrichtung unserer Innenstädte und Zentren beitragen. Dieser Wandel wird sich über mehrere Jahre hinziehen und sicher auch länger als ein Jahrzehnt andauern. Es wird darum gehen neue Wege in den Innenstädten zu gehen, um diese dauerhaft zu stabilisieren. Bund und Länder können dabei und mit einer entsprechenden Förderung die Zukunft unserer Städte vorbildhaft und frühzeitig entwickeln und positiv beeinflussen.