Positionspapier

Positionspapier "Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes"

14. Dezember 2020

Das Aufgabenspektrum des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) hat in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Wandel erfahren. In vielen Bereichen der Gesundheitsförderung, Prävention, der Gesundheitsversorgung benachteiligter Gruppen sowie der kommunalen Gesundheitsplanung ist der Öffentliche Gesundheitsdienst zum zentralen Ansprechpartner geworden. Der Öffentliche Gesundheitsdienst stellt als wichtiger Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge somit eine wichtige Säule des deutschen Gesundheitswesens dar. Das Spektrum der Aufgaben reicht von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Familien mit Kleinkindern (z. B. Frühe Hilfen), der Beratung von Eltern, Kita- und Einschulungsuntersuchungen, Untersuchungen und Beratungen von Schwangeren, der Schwangerschaftskonfliktberatung sowie Kontroll- und Überwachungsaufgaben im Bereich der Krankenhaus-, Umwelt- und Seuchenhygiene bis hin zum Infektionsschutz. Durch die Corona-Pandemie ist der Infektionsschutz in den Mittelpunkt der Betrachtungen getreten. Die Bekämpfung der Corona-Pandemie hat gezeigt, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst in Zukunft wachsende Herausforderungen meistern und dafür besser aufgestellt werden muss. Jedoch haben vor allem die letzten Wochen und die stetig steigenden Infektionszahlen gezeigt, dass vor allem im Bereich Personal und bei der technischen Ausstattung in den Gesundheitsämtern Nachholbedarf besteht.
Die Bundes-SGK begrüßt daher ausdrücklich die Bemühungen des Bundes und der Länder im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken.

Der von Bund und Ländern vorgelegte „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ ist begrüßenswert, löst aber nicht sofort die offenen Fragen. Bis zum Jahr 2026 sollen demnach bis zu 4 Mrd. Euro (3,1 Mrd. Euro für Personal; 800 Mio. Euro für Digitalisierung und 100 Mio. Euro für sonstige
Ausgaben) zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Bis Ende nächsten Jahres sollen damit bis zu 1.500 neue Stellen für Ärztinnen und Ärzte sowie Fach- und Verwaltungspersonal geschaffen werden. Bis Ende 2022 sollen in einem zweiten Schritt noch einmal 3.500 weitere Stellen geschaffen werden. Allerdings heißt das noch nicht, dass es auch ausreichend Bewerberinnen und Bewerber auf diese Stellen gibt. Hier konkurriert der ÖGD mit Krankenhäusern und anderen Akteuren des Gesundheitswesens. 

Verbesserung der Personalausstattung 

Laut einer aktuellen Erhebung der Kommunalen Spitzenverbände sind 2.900 von 3.300 Planstellen in bundesweit 375 Gesundheitsämtern besetzt. Jedoch haben die letzten Monate gezeigt, dass die personelle Ausstattung der Gesundheitsämter naturgemäß bei der Bekämpfung einer Pandemie in einem seit 100 Jahren unbekannten Ausmaß an ihre Grenzen stößt. Die Bundes-SGK begrüßt die im, von Bund und Ländern vorgelegten, „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ vorgesehenen Finanzmittel in Höhe von 3,1 Mrd. Euro für ca. 5.000 neue Personalstellen für Ärztinnen und Ärzte aber auch Fach- und Verwaltungspersonal in den nächsten 6 Jahren. Über die SARS-CoV-2 Pandemie hinaus müssen die Kommunen in die Lage versetzt werden Personal für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu gewinnen und zu binden. Dies kann nur gelingen:

  • durch eine auskömmliche und dauerhafte Finanzierung der Kommunen und der ihnen übertragenen Aufgaben über das Jahr 2026 hinaus.
  • durch eine Steigerung der Attraktivität des Öffentlichen Gesundheitsdienstes etwa im Rahmen bestehender Tarifverträge wobei die Tarifautonomie und die Selbstverwaltungsrechte der Kommunen gewahrt bleiben müssen.
  • durch eine stärke Einbindung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in das Medizinstudium (z.B. durch eine feste Verankerung bevölkerungsmedizinischer Lehrinhalte während des Studiums oder der Ermöglichung von Famulaturen und Praktischem Jahr im Öffentlichen Gesundheitsdienst als Teil des Studiums).

Digitalisierung im Öffentlichen Gesundheitsdienst

Die Bundes-SGK begrüßt die im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ und im „Zweiten Gesetzt zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vorgesehenen 850 Mio. Euro zur Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Dabei muss sichergestellt werden,

  • dass die Gesundheitsämter der Kommunen Zugang zum Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für Infektionsschutz (DEMIS) erhalten.
  • dass Interoperabilität über alle Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes durch einheitliche Systeme wie z.B. dem bereits existierenden SORMAS und Tools zum Infektionsschutz gewährleistet ist.
  • dass zentrale Standards zur Sicherstellung einer Ebenen übergreifenden Kommunikation geschaffen werden.
  • dass Gesundheitsämter in den Bereichen Hard- und Software, Informationssicherheit und Prozessunterstützung zukunftsfähig aufgestellt werden. Dabei sind gemeinsame Minidesstandards zu definieren, umzusetzen und laufend weiterzuentwickeln.

Die Bundes-SGK verweist im Zusammenhang mit der Umsetzung des „Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ darauf hin, dass es hier nur in sehr geringem Maße um eine direkte, möglichst kurzfristig wirksame Unterstützung des öffentlichen Gesundheitsdienstes im Rahmen der Pandemiebekämpfung geht, sondern dass es in allererster Linie um eine an den vielfältigen Aufgaben des ÖGD anknüpfende mittelfristige und nachhaltig wirkende Orientierung der Stärkung des ÖGD gehen muss. Es ist sicherzustellen, dass nicht abgerufene Sofortmittel des Bundes für 2020 übertragen werden und Personalkosten für bereits ab 01.02.2020 eingestelltes Personal rückwirkend berücksichtigt werden dürfen. Die Länder sind hier insbesonders gefordert, ihre Vorstellungen über die Zukunft des ÖGD zu präzisieren und hieraus handhabbare Maßstäbe für die Verteilung der Mittel auf die Kommunen abzuleiten. Derzeit fehlt es hier an Vorgaben.

Überlegungen zu einer Ausweitung der Bundeskompetenz im Öffentlichen Gesundheitsdienst müssen aus kommunaler Sicht kritisch begleitet werden. Einer Zentralisierung von Aufgaben stehen wir kritisch gegenüber, da sie nichts an den oben beschriebenen Problemen ändert. Entscheidend ist es, dass der Bund zu einer dauerhaften und auskömmlichen Finanzierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Kommunen beiträgt.

Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK vom 11. Dezember 2020

Themen: