Positionspapier
Beschlüsse Vorstand

Positionspapier: "Sozialen Arbeitsmarkt umsetzen und kommunale Spielräume gewähren!"

29. Juni 2018

Die Bundes-SGK hat bereits im Jahr 2013 ein Positionspapier „Investitionen in Teilhabe und dauerhafte Beschäftigung – Neugestaltung öffentlich geförderter Beschäftigung als Beitrag zu einer nachhaltig wirksamen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik“ beschlossen und einen erheblichen Ausbau dieser Instrumente gefordert. Nicht zu leugnen war, dass mit den bestehenden Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik gerade jene, die schon lange Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehen, kaum erreicht werden konnten. Die Bekämpfung der Langzeitarbeits-losigkeit jedoch war und ist eine herausragende Aufgabe, auch weil sie gravierende Folgen für die Kommunen hat, die die sozialen Folgewirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit bewältigen müssen.

Die Bundes-SGK begrüßt deshalb die Pläne der Bundesregierung, im Sozialgesetzbuch II ein neues Regelinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ einzuführen und einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose zu schaffen. Auch begrüßen wir, dass  die  Kriterien „Zusätzlichkeit“, „Wettbe-werbsneutralität“ und „im öffentlichen Interesse“ aufgegeben werden. Nur so kann es gelingen, dass die erbrachte Arbeitsleistung auch als benötigt und damit sinnvoll empfunden wird.

Bisherige Modellprojekte öffentlich geförderter Beschäftigung zum Beispiel in Dortmund oder Hamburg haben gezeigt, dass geförderte und begleitend gecoachte Tätigkeiten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern – und häufig auch ihren Familienangehörigen – erfolgreich das Gefühl von Teilhabe am Leben und an der Gesellschaft vermitteln können. Bisherige Modellprojekte haben aber auch gezeigt, dass es in sehr unterschiedlichen Kommunen sehr unterschiedliche Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit gibt. In wirtschaftlich starken Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit liegen häufig individuelle Vermittlungshemmnisse vor. In anderen Regionen hingegen ist die Langzeitarbeitslosigkeit auch ein strukturelles Problem, da das früher stark ausgeprägte Segment der Helfertätigkeiten heute im wesentlich geringeren Umfang existiert und der Arbeitsmarkt nur bedingt Menschen mit geringen formalen Qualifikationen aufnehmen kann.

Aus dieser Analyse der unterschiedlichen Gemengelagen vor Ort gehen fünf zentrale Forderungen der Bundes-SGK an eine konkrete Ausgestaltung des Gesetzes hervor:

Erstens: Die flächendeckende Wirksamkeit des Instruments ‚Sozialer Arbeitsmarkt‘ wird nur möglich sein, wenn den lokalen Entscheidern vor Ort möglichst viel Spielraum bleibt. Dies gilt für die Auswahl der Teilnehmer, die Art der Beschäftigung und die Entscheidung darüber, neben der Arbeitsstelle an sich auch Anleiter und Sachmittel aus den bereitgestellten Mitteln zu finanzieren.  Von dem Erfordernis ‚6 Jahre Leistungsbezug‘ sollte beispielsweise in begründeten Fällen abgewichen werden können. In manchen Kommunen bieten sich zielgruppenorientierte Förderlinien – z.B. speziell für Alleinerziehende, Ältere, Flüchtlinge – an, auch wenn diese vielleicht ‚nur‘ vier oder fünf Jahre im Leistungsbezug waren. In anderen Kommunen geht es viel globaler um die Stabilisierung von

Quartieren, indem ein relevanter Anteil der Bevölkerung in Beschäftigung kommt. Damit das neue Instrument flächendeckend zum Erfolg wird, sind kommunale Freiräume nötig. Zudem darf es keine ‚Zwangsvermittlungen‘ geben, sondern die grundsätzlich in Frage kommenden Teilnehmer können sich freiwillig auf die angebotenen Beschäftigungsfelder bewerben.

Zweitens: So erfreulich das relativ geringe Abschmelzen der Förderhöhe über die gesamte Laufzeit des Programmes ist: Gerade für Kommunen in schwieriger Haushaltslage – oder gar unter Haushalts-verwaltung – sind auch 10 % Eigenanteil kaum oder nicht zu stemmen. Wenn eine Kommune haushaltsrechtlich nur noch Pflichtaufgaben erfüllen darf, kann und darf sie für den sozialen Arbeitsmarkt keine Mittel bereitstellen. Für diese Deckungslücke muss eine Lösung gefunden werden, beispielsweise durch ergänzende Finanzierung auf Länderebene. Findet sich diese Lösung nicht, würde das letztlich bedeuten, dass gerade Kommunen in besonders prekärer Lage – die häufig eben auch besonders viele Langzeitarbeitslose haben – das Instrument nicht einsetzen können.

Drittens: Die Entlohnung orientiert am Mindestlohn ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag. Rückmeldungen aus Verbänden, Ländern und Kommunen lassen es jedoch geboten erscheinen, dass die Bemessung wenn möglich auf Basis des Tariflohnes beziehungsweise des ortsüblichen Arbeitsentgeltes erfolgen sollte. Nur so ist das Instrument auch für tarifgebundene Unternehmen und kommunale Arbeitgeber attraktiv.

Viertens: Kommunale Beschäftigungsgesellschaften bewegen sich oft im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, wenn sie die Menschen in externen Einsatzstellen beschäftigen. Die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten, danach Übernahme durch den Entleiher) widersprechen der geplanten fünfjährigen Förderdauer des §16i SGB II. Nötig erscheint deshalb eine Ausnahmeregelung, gerade im gemeinnützigen Bereich. Ebenfalls muss gewährleistet sein, dass eine – gemäß dem neuen Instrument zwangsläufig befristete – Beschäftigung als Sachgrundbefristung möglich ist, ohne dass anschließende Pflichten der Arbeitgeber folgen.

Fünftens: Die Neugestaltung öffentlich geförderter Beschäftigung ist ein Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik, aber eben auch zu einer nachhaltigen Sozialpolitik. Es geht auch darum, Individuen, Familien – und manchmal auch ganze Quartiere – durch Beschäftigung zu stabilisieren und Teilhabe zu ermöglichen. Die tatsächliche Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt bleibt oberste Zielstellung, aber nicht alleiniges Ziel. Umso mehr muss überlegt werden, welche Angebote man Teilnehmerinnen und Teilnehmern machen kann, die zwar individuell und familiär von der Beschäftigung profitiert haben, aber auch nach fünf Jahren noch immer nicht allgemein vermittelbar sind. Hierfür sollte bereits frühzeitig eine begleitende Förderung möglich sein und anschlussfähige Fördermaßnahmen vorgesehen werden. Im Notfall bedarf es der Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit.

Aus kommunaler Sicht ist zudem grundsätzlich darauf hinzuweisen: Die JobCenter brauchen struktu-rell mehr Mittel und mehr Personal. Nur bei einem besseren Betreuungsschlüssel und mehr Möglich-keiten zur wirklich individuellen Beratung wird es gelingen, auch die ‚schwierigen Kunden‘ angemessen und erfolgversprechend zu betreuen. Dafür sollte mehr Geld bereitgestellt werden. Dieses ist eine Voraussetzung für den anzustrebenden Kultur- und Imagewandel der JobCenter, der auch kreativere Lösungswege erlaubt.

Eine Möglichkeit, mehr Mittel ins System JobCenter zu bekommen, ist eine Förderung des Passiv-Aktiv-Transfers durch den Bund. Dies ist auch Bestandteil des Koalitionsvertrages („Wir ermöglichen außerdem den Passiv-Aktiv-Transfer in den Ländern. Der Bund stellt dazu die eingesparten Passiv-Leistungen zusätzlich für die Finanzierung der Maßnahmen zur Verfügung.“).

Diese Regelung ist jedoch nicht Bestandteil des vorliegenden Gesetzentwurfes. Die Bundes-SGK begrüßt grundsätzlich die Förderung des Passiv-Aktiv-Tausches. Inwieweit auch die kommunalen KdU-Anteile in den Passiv-Aktiv-Transfer einbezogen werden, sollte jedoch von dem jeweiligen kommunalen Träger im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeiten entschieden werden.