Positionspapier

Positionspapier "Rettungsschirm für die Kommunen"

11. Mai 2020

Städte, Gemeinden und Kreise zeigen, dass sie dazu in der Lage sind, die laufende Corona-Krise zu bewältigen. Ein Großteil der Maßnahmen, die der Eindämmung der Ausbreitung des Virus dienen, findet auf kommunaler Ebene statt. Die Leistungsfähigkeit der kommunalen Dienste, der Verwaltung und kommunaler Einrichtungen muss gesichert werden. Und das gilt nicht nur für die Zeit während der Krise sondern auch danach. Die Kommunen sind es, die den Staat am Laufen halten, indem sie den Menschen die sozialen, kulturellen, sportlichen und wirtschaftlichen öffentlichen Einrichtungen vor Ort bereitstellen. Die Kommunen sorgen für den öffentlichen Nahverkehr, für eine bessere soziale Wohnraumversorgung, für einen verstärkten Klimaschutz und nicht zuletzt ein vielfältiges Kulturangebot für alle. 

Nur eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen kann diese Leistungen der Kommunen sichern und sorgt für die notwendige Handlungsfähigkeit der Kommunen. Sie ist Voraussetzung für die Überwindung der Krise und die Sicherung des gesellschaftlichen Wohlstandes. Doch die Kommunen sind auch Betroffene der Krise, es droht eine massive Verschlechterung der kommunalen Finanzen.

Die Wirtschaft erleidet einen gleichzeitigen Schock im In- und Ausland. Angebot und Nachfrage sind zu gleichen Teilen betroffen, denn auch die Weltwirtschaft steht vor einer tiefen Rezession. Die Lieferketten sind weltweit unterbrochen. Die Nachfrage nach deutschen Gütern ist rückläufig und wird sich nur langsam erholen. Die konjunkturelle Entwicklung wird im Laufe des Jahres 2020 zu einer deutlichen Schrumpfung des realen BIP führen (8,4 Prozent nach IAB vom 24. April 2020; die Frühjahrsprognose der Bundesregierung verkündet am 29. April ein Minus von 6,5 Prozent). Im Jahresdurchschnitt 2020 wird eine Erhöhung der Arbeitslosenzahl um mehr als eine halbe Million angenommen, die Zahl der Kurzarbeiter wird bei 2,5 Millionen geschätzt (IAB vom 24. April 2020). Laut Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit vom 30. April 2020 wurde in den Monaten März und April für insgesamt 10.140.000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt. Das entspricht einem Anteil von 30 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. 

Vor diesem ökonomischen Hintergrund ist mit erheblichen Steuermindereinnahmen der Kommunen zu rechnen, insbesondere in der Gewerbesteuer genauso wie bei den kommunalen Anteilen an der Einkommenssteuer und der Umsatzsteuer, zudem bestehen Mindereinnahmen in wichtigen Bereichen der Kommunalwirtschaft. Andererseits bestehen Mehraufwendungen bei Sozialleistungen und Leistungen im Gesundheitswesen, bis hin zu örtlich erforderlichen Stützungsmaßnahmen durch die Kommunen. Aktuelle Schätzungen des Deutschen Städtetages gehen – je nach gesamtwirtschaftlicher Entwicklung – von Mindereinnahmen und Mehraufwendungen zwischen 20 und 25 Milliarden Euro für das laufende Jahr 2020 aus.

Deshalb fordern wir als sozialdemokratische Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker einen Rettungsschirm für die Kommunen.

  • Es gilt, die Handlungsfähigkeit der Kommunen in der Krise zu sichern!
  • Es gilt, einen sprunghaften Anstieg der kommunalen Verschuldung zu vermeiden!
  • Es gilt, die Investitionsfähigkeit der Kommunen in und nach der Krise zu sichern!

1. Soforthilfen der Länder
Die Länder müssen die Kreditaufnahmemöglichkeiten der Kommunen rechtlich sichern und Liquiditätshilfen als Überbrückungskredite durch ihre Förderbanken gewähren.

Wir fordern von den Ländern neben der Erleichterung bei der Neuaufnahme von Schulden auch als Soforthilfe direkte Finanzzuweisungen zur Stabilisierung der Kommunalfinanzen. 

Für das Jahr 2021 muss innerhalb der kommunalen Finanzausgleichssysteme der Länder sichergestellt werden, dass der zu erwartende Steuereinbruch bei den Ländern nicht an die Kommunen durchgereicht wird. Die Neuverschuldung muss auf Landesebene und nicht in den einzelnen Kommunen erfolgen.

Denn viele Kommunen werden sonst bei der Haushaltsaufstellung in Schwierigkeiten geraten und allein aus konjunktureller Sicht erforderliche Investitionen nicht vornehmen. Die Länder dürfen unter keinen Umständen ihre Haushalte durch eine Kürzung der Finanzausgleichsmasse entlasten.

2. Soforthilfen des Bundes
Um Länder und Kommunen zu unterstützen und insbesondere die gemeindlichen Steuerverluste auszugleichen, muss der Bund ein eigenes Bundesprogramm mit pauschalen Mitteltransfers an die Kommunen auflegen, die noch in der ersten Jahreshälfte 2020 ausgezahlt werden. Die Verteilung sollte angesichts der aktuellen Betroffenheit aller Kommunen so erfolgen, dass auch alle einen Anteil daran haben. Angesichts der Dringlichkeit einer sofort unkompliziert umsetzbaren Soforthilfe erscheint eine pauschale Verteilung nach Einwohnern denkbar. 

Um eine direkte Entlastung der Kommunen von den pandemiebedingten Mehraufwendungen für die Sozialleistungen zu erreichen, sollte eine zeitlich befristete Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft erfolgen. Mit der Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Bund würden die Kommunen mit hohen Soziallasten ursachengerecht unterstützt.

Bund und Länder müssen sich endgültig auf die Umsetzung des bereits angestoßenen Vorhabens der Bundesregierung einigen, den Kommunen mit einer besonders hohen Last durch Kassenkredite bei der Entschuldung durch eine Bundesbeteiligung zu helfen. Diese Maßnahme dient dazu, jene finanzschwachen Kommunen im Sinne der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu stärken, deren Belastbarkeit aufgrund vorhandener Altschulden besonders gering ist.

Stadtwerke, kommunale Unternehmen und Einrichtungen gewährleisten wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge in unserer Gesellschaft. So sind Museen, Bibliotheken, Theater und Konzerthallen genauso massiv von der Krise betroffen wie z.B. Messen, Flughäfen, Veranstaltungszentren, Häfen und Bäder oder die verschiedenen Sparten der Stadtwerke. Entsprechend müssen sie auch von den Soforthilfen des Bundes für die Wirtschaft berücksichtigt werden.

Mobilität stellt einen zentralen Teil der Daseinsvorsorge dar. Sie ist Grundlage für das Funktionieren von Gesellschaft und Wirtschaft in städtisch geprägten Ballungsräumen wie auch im ländlichen Raum. Die Verkehrsbranche und der Öffentliche Personennahverkehr haben in der Krise dafür gesorgt, dass ein stabiles Angebot aufrechterhalten wurde. Um dieses dauerhaft sicherzustellen, bedarf es auch einer Kompensation der bis zu 90% weggebrochenen Fahrgeldeinnahmen.

3. Stärkung kommunaler Investitionen
Um die Investitionsfähigkeit der Kommunen in der Krise und danach zu sichern, sind neben der Sicherung der allgemeinen Finanzausstattung der Kommunen die verschiedenen Förderprogramme von Bund und Ländern wichtig. Dieses ist insbesondere auch im Hinblick auf die notwendige Konjunkturankurbelung durch öffentliche Investitionen erforderlich. 

Bestehende Investitionsprogramme können aufgestockt und verstetigt werden. Dabei ist es aus konjunkturpolitischer Sicht besonders wichtig, die Bauinvestitionen auf einem hohen Niveau zu verstetigen. Das betrifft den sozialen Wohnungsbau, den Klimaschutz, die Breitbandversorgung und Digitalisierung genauso wie den Umbau unserer Städte, Gemeinden und Kreise für eine nachhaltige Mobilität und die Stärkung der Bildung. Investitionsprogramme sollten an der Zukunftsfähigkeit der Kommunen ausgerichtet sein.

Der Einsatz von Fördermitteln ist zu entbürokratisieren, um den Abfluss der Mittel zu beschleunigen. Bei der Mittelverwendung gilt es, Vergabebedingungen und Nachweispflichten entsprechend zu vereinfachen.

4. Dauerhafte Sicherung der Kommunalfinanzen
Von der Härte des Strukturwandels der Wirtschaft betroffen und in konjunkturell schwierigen Zeiten halfen sich viele Kommunen bisher damit, dass sie ihre freiwilligen Leistungen zum Teil bis auf null reduzierten, auf bauliche Unterhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen verzichteten, die Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuern heraufschraubten, ihre Grundstücke, Gesellschaften, Krankenhäuser und Stadtwerke veräußerten oder Kassen- bzw. Liquiditätskredite zur Deckung einsetzten. Seit mehreren Jahrzehnten betreiben die Kommunen Haushaltskonsolidierung; eine nachhaltige Sanierung der Haushalte ist vielen Städten und Gemeinden dennoch nicht gelungen, weil sie sich in einer Zangenbewegung von stark steigenden Sozialleistungen und unsicherer Ertragssituation befinden. 

Um dieser Situation dauerhaft zu entgehen und die Bedeutung der Kommunen für die Wirtschaft und die Erbringung der Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge zu unterstreichen, brauchen sie deshalb auch eine dauerhafte Entlastung bei den Sozialausgaben und eine grundsätzliche Stärkung ihrer Finanzausstattung auf der Einnahmeseite.

Beschluss der Bundes-SGK vom 6. Mai 2020