Klimaschutz und Klimaanpassung – auf dem Weg zur resilienten Kommune
Beschluss der digitalen Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 22. Januar 2022
1. Klimaschutz - gesellschaftliche Akzeptanz und soziale Ausgewogenheit
Kommunen sind Orte in denen wir leben, wohnen, arbeiten, konsumieren und produzieren. Jede Kommune folgt ihrem eigenen Entwicklungspfad, deshalb sind wir überzeugt davon, dass Klimaschutz und Klimaanpassung – der Schutz der Menschen vor den Wirkungen des Klimawandels - nur vor Ort umgesetzt werden kann. Wir haben mit unserem Handeln die Mechanismen, die unsere Erde zu einem ausgezeichneten Ort für das Leben macht, so weit verändert, dass wir nun neben vielen Fortschritten und Vorteilen, die wir genießen dürfen, vermehrt die negativen Auswirkungen zu spüren bekommen. Wir sind dabei Gegenmittel zum Einsatz zu bringen und Alternativen zu finden, um dem Klimawandel zu begegnen. Die Städte, Gemeinden und Kreise werden dabei zu entscheidenden Akteuren.
2. Handlungsfelder
2.1 Energiewende
Das neue Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland fünf Jahre früher als bisher vorgesehen - bis zum Jahr 2045 - klimaneutral werden soll. Der Ausbaupfad der erneuerbaren Energien muss den neuen Klimazielen entsprechen und demgemäß neu festgelegt werden. Dazu müssen Bund und Länder den entsprechenden finanziellen und rechtlichen Rahmen schaffen. In einer Kommission unter Beteiligung der Kommunen sollten die Zielkonflikte zwischen bau- und planungsrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen und naturschutzrechtlichen Aspekten gelöst und gemeinsame Handlungsoptionen gefunden werden.
Der Strombedarf und damit der Bedarf an erneuerbarem Strom werden steigen, beispielsweise durch mehr Elektrofahrzeuge und die Erzeugung von Wasserstoff, daher wird der effiziente Einsatz des Stroms noch wichtiger. Dabei sollten nicht regulatorische Vorgaben Treiber sein; die Klimawende sollte regionalen Besonderheiten entsprechend umgesetzt und dabei Möglichkeiten kommunaler Wertschöpfung erschlossen werden, um die nötige Akzeptanz für Vorhaben zu erhalten. Um den Ausbau der erneuerbaren Energien auszuweiten, müssen erneuerbare Energien entlastet und fossile belastet werden. Das Steuer- und Abgabesystem beim Preis für Strom und Wärme muss
dementsprechend angepasst werden. Innovative Lösungen und der Einsatz erneuerbarer Energien sollte honoriert werden. Einer Erhöhung des CO2-Preises muss eine angemessene Entlastung der Verbraucher und Verbraucherinnen gegenüberstehen.
Um mehr Akzeptanz für den Ausbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sowohl bei der Windkraft als auch bei Photovoltaikfreiflächenanlagen zu erreichen, sollte die finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Erträgen gesichert werden, unabhängig davon, ob eine Förderung durch das EEG besteht. Auch sollten die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um Kommunen finanziell an bestehenden Windkraftanlagen zu beteiligen. Die Chancen der Bildung und Beteiligung von Bürgerenergieprojekten und -genossenschaften sind zu verbessern.
Um den Ausbau der Photovoltaik nicht nur bei öffentlichen Gebäuden weiter zu beschleunigen, ist eine Solarpflicht zunächst für Gewerbebauten einzuführen. Denkbar wäre auch eine Stärkung kommunaler Planungshoheit durch die Option für eine Solar- oder Gründachpflicht. Zudem gilt es, weitere Hemmnisse für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen im Bereich des Mieterstroms zu beseitigen.
Die Versorgung aus erneuerbaren Energien kann in Zukunft weder ausschließlich als Eigenversorgung noch zentral durch die großen Energieversorger allein gewährleistet werden. Industrie, Quartiere und Verkehr werden aber weiterhin auf große Strom- und Energiemengen angewiesen sein, die dezentral vor Ort erzeugt werden. Die Digitalisierung wird hier einen wichtigen Beitrag auch zur Versorgungssicherheit leisten müssen: Durch eine intelligente Steuerung und bessere Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch. Die kommunalen Unternehmen wie Stadtwerke werden daher in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen. Dies muss bei zukünftigen politischen Entscheidungen mehr beachtet werden, beispielsweise bei dringend benötigten Investitionen in die örtlichen Energienetze.
2.2 Wärmewende und Gebäudeenergie
Eine deutliche Ausweitung der energetischen Gebäudesanierung ist auf eine aufsuchende und an den Möglichkeiten der Gebäudeeigentümer orientierte Energieberatung angewiesen. Die bestehenden
Förderkonzepte sind stärker auf Zuschüsse und Quartierskonzepte zu orientieren. Eine Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes ist gemeinsam mit den Kommunen umzusetzen.
Eine kommunale Wärmeplanung sollte die „Wärmewende“ vorantreiben. Eine Verpflichtung der Kommunen zu einer entsprechenden Planung ohne enge inhaltlich standardisierte Vorgaben ist zu befürworten, muss aber auch zwingend von Bund und Ländern finanziell abgesichert werden. Die Wärmeplanung kann ein erster Schritt in die Richtung einer umfassenderen Energieleitplanung in den Quartieren sein. Zur Wärmewende gehören der Ausbau und die Verdichtung der Fern- und Nahwärme, die Nutzung von Abwärmepotenzialen, die Einbindung von Speichern, der Aufbau neuer dezentraler Wärmenetze mit z.B. der Nutzung von Geothermie und Biogas.
Es braucht passende Rahmenbedingungen für den Aufbau einer grünen dezentralen Wasserstoffwirtschaft und Wasserstoffnetzstruktur, die neben energiewirtschaftlichen, verkehrlichen und klimaschützenden Potenzialen zugleich die Wertschöpfung vor Ort stärkt. Lokale Wasserstoffprojekte sollten ermöglicht und finanziell gefördert und bestehende Gasnetze zu Wasserstoffnetzen weiterentwickelt werden. Zugleich ist der bestehende energiewirtschaftliche Rechtsrahmen auf die Vergabe von Wasserstoffkonzessionen anzupassen.
2.3 Mobilität
Bund, Länder und Kommunen sind aufgefordert die ersten Ergebnisse des im November 2019 zwischen dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, der Verkehrsministerkonferenz der Länder und den drei kommunalen Spitzenverbänden vereinbarten Bündnis für moderne Mobilität umzusetzen und die Arbeit für eine gelingende Verkehrs- und Mobilitätswende fortzusetzen.
Jede Bürgerin und jeder Bürger soll einen wohnortnahen Anschluss an den ÖPNV haben. Wenn der Bund eine solche Mobilitätsgarantie, wie sie auch das Land Rheinland-Pfalz in seinem ÖPNV-Gesetz verankert hat, durchsetzen will, dann muss er mit den Ländern eine entsprechende Finanzierung organisieren. Denn damit werden die kommunalen Aufgabenträger verpflichtet, ein entsprechendes Angebot zu organisieren, welches auch finanziert werden muss. Dazu muss die Betriebsleistung im ÖPNV langfristig gesteigert werden. Erforderlich ist eine zusätzliche jährliche Anhebung der Regionalisierungsmittel um 1,5 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr beginnend ab dem Jahr 2022.
Die Schaffung eines flächendeckenden Schnellladenetzes für Elektromobile in der Stadt und auf dem Land ist für den Hochlauf der Elektromobilität notwendig. Hier müssen private Anbieter genauso aktiv werden wie z.B. kommunale Unternehmen, insbesondere die Stadtwerke als Stromverteilnetzbetreiber. Der Bundestag hat im Mai 2021 hierzu ein Schnellladegesetz beschlossen, das den Aufbau von 1000 Schnellladepunkten bis zum Jahr 2023 zum Ziel hat, diese Initiative muss nun konsequent umgesetzt werden. Durch eine Bundesförderung für kommunale E-Mobilitätsmanager nach dem Vorbild der Klimaschutzmanager werden die Kommunen beim Finden und Genehmigen von Ladestandorten unterstützt.
Die Schieneninfrastruktur muss weiter ausgebaut und stillgelegte Trassen reaktiviert werden. Mit dem Deutschlandtakt sollen auch alle Großstädte wieder ans Fernverkehrsnetz angeschlossen und neue schnelle Zug- und Nachtzugverbindungen in unsere Nachbarländer etabliert werden. Vor allem geht es aber um eine Attraktivitätssteigerung des Nahverkehrs mit engeren Taktungen, einer besseren Bedienung der Tagesrandzeiten und an Wochenenden und Feiertagen, nutzerfreundlichen Anschlussverbindungen, komfortableren Zügen, flächendeckendem W-LAN und Reservierungsmöglichkeiten für Sitzplätze. Eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die umwelt- und klimafreundliche Schiene ist dringend erforderlich. Hierzu müssen die entsprechende Infrastruktur bis hin zu Gleisanschlüssen vor Ort ausgebaut und Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes europaweit harmonisiert werden. Aber auch die Anpassungen bei der Schnittstelle Straße – Schiene sind nötig. In Städten und Gemeinden gilt es wiederum, die negativen Auswirkungen des Güter- und Lieferverkehrs auf der letzten Meile zu reduzieren. Hierzu bedarf es des Einsatzes alternativer Transportmittel und die vordringliche Elektrifizierung der Lieferfahrzeuge. Jenseits der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern zur Verkehrsfinanzierung bedarf es einer grundsätzlichen Lösung für eine dauerhaft bedarfsgerechte Verkehrsfinanzierung. Es braucht eine Investitionsoffensive, die für die nächsten zehn Jahre auf einem bedarfsgerechten Niveau eine auskömmliche Finanzierung der Transformation zu nachhaltiger Mobilität in Städten, Gemeinden und ländlichen Räumen im Verbund mit den Regionen ermöglicht.
Bund und Länder müssen eine ebenen- und ressortübergreifende Förderpolitik der nachhaltigen Mobilität entwickeln, die alle relevanten Handlungsfelder ineinandergreifen lässt. Dazu zählen: - Infrastrukturerhalt, -erneuerung und -ausbau, - Förderung des Umweltverbundes
- Ausrichtung auf Mobilitätsketten für einen Transport nach Bedarf von „Tür zu Tür“
- Einführung integrierter und übergreifender elektronischer Ticketing-Systeme,
- Umstellung auf lärm- und schadstoffarme/-freie Antriebstechnologien,
- Beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Der Rettungsschirm für Nahverkehrsunternehmen, um die wirtschaftlich negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Transportsektor auszugleichen, war richtig. Die Pandemie wirkt allerdings weiter. Dementsprechend ist absehbar, dass auch in 2022 und danach eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel erfolgen muss. Zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs bedarf es einer dauerhaften Infrastrukturförderung sowie einer Anpassung des Verkehrsrechts. Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, Verkehrsraum zugunsten klimafreundlicher Mobilität umzugestalten und Maßnahmen wie Parkraummanagement und Geschwindigkeitsbegrenzungen flexibler einzusetzen.
3. Klimaanpassung – Lebensgrundlagen schützen
Der Klimawandel führt zu erhöhten Risiken für Menschen und die kommunale Infrastruktur. Starkregenereignisse, Hochwasser und -fluten häufen sich und nehmen dramatische Ausmaße an. Gleiches gilt für Dürreperioden und die Hitze in den Städten.
Entsprechend muss insbesondere die Wasserwirtschaft mit ihrer Infrastruktur der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zukunftsfest und krisensicher (resilient) ausgestaltet werden und bezahlbar bleiben. Zu begrüßen ist dabei der Drei-Punkte-Plan als Übereinkunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und den kommunalen Spitzenverbänden zur besseren Förderung von Klimaanpassungsmaßnahmen und die Gründung des Zentrums Klimaanpassung zur Beratung für Kommunen.
Konkrete Maßnahmen erfordern zusätzliche Investitionen, die die Kommunen nicht allein tragen können. Deshalb braucht es eine verlässliche und dauerhaft angelegte Finanzierungshilfe für Klimaanpassungsmaßnahmen, die auch die Bereiche Gesundheit, Stadtplanung, Städtebau, Stadtgrün, Mobilität, Boden-, Biotop- und Artenschutz umfassen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob hierfür die bestehende Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) erweitert und zu einer neuen Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Räume und Klimaanpassung“ weiterentwickelt werden kann.
4. Katastrophen-, Bevölkerungsschutz und Resilienz
Im Zusammenhang mit den Folgen des Klimawandels verbundene Hochwasserereignisse und Katastrophen verweisen auch auf die Notwendigkeit eines verbesserten Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes. Die Kommunen müssen mit in den Aufbau eines Bund-Länder-Kompetenzzentrums eingebunden werden, um ein über alle Ebenen integriertes und kooperatives Krisenmanagement sicherzustellen. Auch die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie haben verdeutlicht, wie vielfältig die Herausforderungen an die Systeme der Daseinsvorsorge unter Extrembedingungen sein können.
Bereits vor den jüngsten Unwetterkatastrophen mit den bekannten Folgen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr wurden in Deutschland in der Vergangenheit immer wieder ähnliche Erfahrungen gemacht. Einige Kommunen haben deshalb eigene digitale Gefahrenfrüh-erkennungssysteme entwickelt, die gefährliche Situationen früher erkennen als dies bisher möglich war. Solche digitalen Anwendungen entsprechen dem heutigen Stand des Wissens und der Technik und sollten möglichst überall zum Einsatz kommen. Dabei sollten diese mit den Systemen der Länder und des Bundes koordiniert werden. Nicht zuletzt bedarf es einer Aufstockung des Warnmittel- und Sirenenprogramms und der Bereitstellung der erforderlichen Mittel hierfür durch den Bund.
5. Fazit
Wir wollen eine soziale Klimapolitik, Energie muss bezahlbar sein, die Kosten für die Transformation unserer Energieproduktion und –Konsumption darf nicht ausschließlich zu Lasten der Verbraucher:innen gehen. Leider hat die Förderung des kommunalen Klimaschutzes oft immer noch Projektcharakter. Aus den vorhandenen vielfältigen Angeboten von Bund und Ländern zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung, zur Energie- und Wärmewende können Kommunen wählen, sich beraten und bei der Umsetzung unterstützen lassen. Der Nachteil der Projektförderung, sie ist zeitlich begrenzt und die Wirkung bleibt oft isoliert. Zudem sind die Förderrichtlinien vor allem für kleinere Gemeinden und Genossenschaften zu kompliziert gefasst. Bei allen guten Beispielen, Erprobungen und Modellen muss daher nach der weiteren Transformation gefragt werden: Wie kommt der Klimaschutz in die Fläche? Warum wurden die guten Beispiele wie beispielsweise Bottrop „Innovation City“ nicht schon vielfach kopiert? Neben der Ressourcenfrage liegt ein Teil der Antwort darin, dass es kein Patentrezept für eine Transformation gibt. Noch dominieren offene Fragen zur „richtigen“ Technologie und es gibt widerstreitende Meinungen, welcher Weg zum Ziel führt. Dies gilt beispielsweise mit Blick auf synthetische Kraftstoffe oder die zukünftig benötigte Strommenge sowie die Nutzung von Wasserstoff. Sicher ist, dass der Weg aus der fossilen Energiewelt über den Ausbau der erneuerbaren Energien gelingen kann und wir uns darüber hinaus auch gegen die bereits eingetretenen Veränderungen des Klimas wappnen müssen. Wir leiten daraus folgende Erfordernisse ab:
- Klimaschutz und Klimaanpassung dürfen kein Luxus sein und müssen unabhängig von der finanziellen Ausstattung der Kommune stattfinden. Dafür braucht es einen verlässlichen institutionellen und finanziellen Rahmen.
- Klimaschutz und Klimaanpassung kommen nicht von allein, wenn nicht als allgemeine Pflichtaufgabe so doch in Form beispielsweise einer flächendeckenden Wärmeplanung.
- Klimaschutz braucht Verbündete und Konsens, die Menschen in den Städten und Gemeinden müssen von der Wirksamkeit ihres eigenen Handelns beim Klimaschutz überzeugt sein und sie sollten selbst davon profitieren.
- Unterschiedliche Wege in Verdichtungs- wie in ländlichen Räumen führen zum Ziel – auch wenn wir das Bottroper Beispiel anführen, es gibt viele andere, die Klimaschutz und -anpassung umsetzen, jeweils auf eigene Weise.