(1) Die Gewerbesteuer stellt mit einem Aufkommen von 43 Mrd. EUR die wichtigste originäre Eigeneinnahme der Städte und Gemeinden dar. Ihr Gegenstand ist die tatsächliche Ertragskraft eines Gewerbebetriebs, für die es unerheblich sein soll, ob Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens durch Eigen- oder Fremdkapital finanziert werden. Deshalb wird die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer durch die Hinzurechnung von Fremdfinanzierungsaufwendungen wie Zinsen, Mieten, Pachten und Lizenzzahlungen objektiviert. So wird erschwert, dass Erträge durch Zahlungen an Dritte bzw. ins Ausland verlagert und damit nicht mehr besteuert werden können.
(2) Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 wurden die Hinzurechnungen verbreitert, um das Gewerbesteueraufkommen weiter zu verstetigen. Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass sich der Anteil am gesamten Gewerbesteuerertrag aufgrund von Hinzurechnungen auf einen Milliardenbetrag beläuft. Zugleich kommen die Unternehmen seit 2008 in den Genuss der Absenkung des Körperschaftssteuersatzes und der Gewerbesteuermesszahl. Dies gewährleistete die Finanzierungsneutralität der Reform für die Steuerpflichtigen.
(3) In Umsetzung der Rechtslage gehen die Finanzverwaltungen seit 2012 davon aus, dass auch Hotelmietaufwendungen von Reiseveranstaltern bei der Ermittlung des Gewerbesteuerertrags anteilig hinzuzurechnen sind. Dies begründet sich damit, dass Miet- und Pachtzinsen bei der Hinzurechnung einbezogen werden, wenn sie für die Nutzung von branchentypischen Gütern entrichtet werden, die ansonsten zum eigenen Anlagevermögen zählen würden. Das heißt, Reiseveranstalter, die fremde Hotel- und Zimmerkapazitäten zur weiteren Überlassung an ihre Kunden anmieten, werden damit gewerbesteuerlich genauso behandelt, wie ein Hotelier, der an seine Gäste eigene Räume überlässt. Vergleichbare Konstellationen gelten für andere Branchen, in denen charakteristische Leistungen von Dritten einbezogen werden.
(4) Gegen diesen, seit Erlass der Regelung auch rückwirkenden Besteuerungsanspruch wenden sich seit einigen Monaten massiv Vertreter der Reisebranche. Sie argumentieren, es handle sich bei der Anmietung von Zimmerkontingenten um eine bloße Vermittlungsleistung und nicht um ein Kapitalsubstitut. Sie betrachten den entsprechenden Leistungseinkauf als Erwerb von Umlauf- und nicht von Anlagevermögen, das für die direkte Weiterveräußerung bestimmt sei. Es findet in ihren Augen mithin eine unangemessene Zusatzbelastung der Reisebranche statt, die zu Umsatz- und Arbeitsplatzverlusten durch die Verlagerung von Reisedienstleistungen auf ausländische Anbieter führen könnte. Beim Finanzgericht in Münster ist derzeit eine Klage eines Reiseunternehmens gegen die beschriebene Hinzurechnung anhängig. In Nordrhein-Westfalen verbindet sich das mit der Aussetzung der Vollziehung, da man dem Verfahren Mustercharakter beimisst. Eine entsprechende Vorgehensweise wird auch mit anderen Ländern erörtert.
(5) Aus Sicht der Bundes-SGK ist vorbehaltlich der weiteren Rechtsprechung eine eingeschränkte Hinzurechnungspraxis generell und somit auch für die Tourismusbranche abzulehnen. Dies gilt vor allem aufgrund des systematischen Charakters einer möglichen Bereichsausnahme. Sie ließe sich sowohl nach Einschätzung der Länder und des Bundesfinanzministeriums als auch aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände eben nicht auf eine Branche beschränken, sondern hätte zwingend gleichgerichtete Auswirkungen für die gewerbesteuerliche Behandlung anderer Wirtschaftsbereiche. In der Konsequenz entstünde ein Einnahmeverlust für die Städte und Gemeinden in Milliardenhöhe, der angesichts der strukturellen Finanzprobleme und der erhöhten Investitionserfordernisse der Kommunen in keiner Weise vertretbar wäre. Die kommunal¬freundliche, auf eine Entlastung der Städte, Gemeinden und Kreise gerichtete Politik der Bundesregierung würde konterkariert.
(6) Darüber hinaus überzeugt die Kritik der Reiseveranstalter auch in der Sache nicht. Denn die Branche kommt wie alle anderen Wirtschaftsbereiche in den Genuss der gegenläufigen Steuererleichterungen, die seit 2008 aus der Unternehmenssteuerreform resultieren. Insofern stellt die neue Regelung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Hotelmietaufwendungen auch einen nachholenden Ausgleich für eine zwischenzeitlich gleichfalls in Anspruch genommene steuerliche Besserstellung dar. Im Übrigen gilt ein Hinzurechnungsfreibetrag von 100.000 EUR, so dass allenfalls größere Unternehmen, nicht jedoch kleine und mittelständische Anbieter in besonderer Weise betroffen sein dürften. Schließlich erscheint es fragwürdig, dass Reiseveranstalter lediglich Zimmer zwischen Hotels und Hotelgästen vermitteln. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Zimmer den Reisenden in einem umfassenden Leistungspaket angeboten werden, nachdem die Veranstalter ihrerseits die Zimmer zuvor von Hoteliers angemietet haben.
(7) Die Bundes-SGK bekräftigt aus diesem Anlass ihre Auffassung, dass die Gewerbesteuer nicht nur erhalten, sondern auch im Hinblick auf den Kreis der Steuerpflichtigen und eine verbreiterte Bemessungsgrundlage gestärkt werden muss. Die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer nach dem sog. "Kommunalmodell" stellt deshalb richtigerweise eine zentrale steuerpolitische Forderung der SPD dar, die auch während der Koalitionsverhandlungen 2013 nachdrücklich vertreten wurde und immerhin dazu geführt hat, diese Steuer in ihrer Substanz nicht zur Disposition zu stellen. Umso weniger ist es hinzunehmen, wenn wesentliche Bestandteile des Gewerbesteuerertrags durch Erleichterungen für einzelne Branchen gefährdet werden.
Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK
vom 28. November 2014