Wir gestalten die Zukunft in unserem Land – Gesellschaftlicher Fortschritt findet in Städten, Gemeinden und Kreisen statt
Beschluss der digitalen Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 22. Januar 2022
Der Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP titelt:
„Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit und Nachhaltigkeit“. Fortschritt kann nur gemeinsam mit den Kommunen, Städten, Gemeinden und Kreisen realisiert werden. Die Bundes-SGK dringt deshalb darauf, die Handlungsfähigkeit der Kommunen zeitnah und nachhaltig zu verbessern und steht bereit, um dafür in Kooperation mit der neuen Bundesregierung den Leitsatz des Kapitels „Gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ des Koalitionsvertrages auszufüllen.
„Wir wollen ein kooperatives Miteinander mit den Kommunen. Unser Ziel sind leistungsfähige Kommunen mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit vor Ort, eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, eine starke Wirtschaft und eine engagierte Zivilgesellschaft. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind die Basis für Vertrauen in unsere Demokratie und halten unser Land zusammen.“ (Seite 127, Koalitionsvertrag)
Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition zeigt an vielen Stellen die Richtung auf, in der die Politik gesellschaftliche Entwicklung lenken muss, sollen die großen Herausforderungen der Zeit angemessen beantwortet werden. In vielen Feldern brauchen wir nun einen gemeinsamen Prozess der Konkretisierung dieser Ziele und der Vereinbarung von Maßnahmen, die eng mit den Kommunen abgestimmt sind. Auf der kommunalen Eben, nah an den Menschen, wird der im Koalitionsvertrag betonte Fortschritt schlussendlich in die Tat umgesetzt. Dabei müssen alle gesellschaftlichen Gruppen an diesem Fortschritt partizipieren können.
1. Finanzen
„Wir brauchen leistungsstarke und handlungsfähige Kommunen. Es gibt viele Kommunen mit hohen Altschulden, die sich nicht mehr aus eigener Kraft aus dieser Situation befreien können. Ihnen fehlt die Finanzkraft für dringend notwendige Investitionen. Wir wollen daher diese Kommunen von Altschulden entlasten. (…) Dies kann nur in einem übergreifenden Konsens gelingen, der das Einvernehmen der Länder erfordert und eine Änderung des Grundgesetzes bedarf, für die die entsprechende Mehrheit im Deutschen Bundestag und Bundesrat nötig ist. (…)“ (Seite 163, Koalitionsvertrag)
Die angekündigten Gespräche mit den Ländern und den Fraktionen im Bundestag sollen zeitnah aufgenommen werden. Die Bundes-SGK betont mit Nachdruck, dass dieses Vorhaben aus Sicht der Kommunen von größter Bedeutung ist. Zudem gilt es nach wie vor, weitere Stabilisierungsmaßnahmen der kommunalen Finanzen anzupacken, um die Investitionsfähigkeit der Kommunen zu erhalten und zu verstetigen. Dazu können weitere Kostenübernahmen des Bundes von relevanten Sozialaufgaben der Kommunen zählen oder die Kompensation von den Corona-bedingten Steuermindereinahmen in den kommunalen Haushalten. Aus Sicht der Bundes-SGK sollten diese Gespräche unter Einbeziehung der Kommunen bei Koordinierung durch das Bundeskanzleramt stattfinden.
2. Gleichwertige Lebensbedingungen – Regional- und Raumordnungspolitik
„Wir werden das gesamtdeutsche Fördersystem und die unter diesem Dach gebündelten Förderprogramme - orientiert an der Stärkung der strukturschwachen Regionen – weiterentwickeln, Wir werden Förderprogramme zusammenfassen, vereinfachen, flexibilisieren, harmonisieren und die Mittel prioritär dorthin fließen lassen, wo der Nachholbedarf am größten ist. (Seite 127, Koalitionsvertrag)
Mit diesem Versprechen geht eine neue Koordinationsaufgabe der Raumordnungspolitik einher. Die in verschiedenen Ressorts administrierten Förderprogramme, vornehmlich die Gemeinschaftsaufgabe für regionale Wirtschaftsförderung (GRW) beim Bundeswirtschaftsministerium und die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) beim Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung sowie alle weiteren Bundesprogramme sind auf ihre räumlichen Wirkungen neu zu bewerten.
Das gilt es, insbesondere vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge in dünnbesiedelten und strukturschwachen ländlichen Räumen und einer vorbeugenden Bewältigung regionaler Transformationsprozesse aufzugreifen.
3. Mobilitätswende und ÖPNV-Finanzierung
„Wir wollen einen Ausbau- und Modernisierungspakt, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen unter anderem über die Finanzierung bis 2030 einschließlich der Eigenanteile der Länder und Kommunen und die Aufteilung der Bundesmittel verständigen sowie Tarifstrukturen diskutieren.“ (Seite 50, Koalitionsvertrag)
Die Arbeiten zu diesem Ausbau- und Modernisierungspakt müssen unverzüglich aufgenommen werden und die ÖPNV-Finanzierung nachhaltig verbessert werden. Beim Ausbau des ÖPNV brauchen die Kommunen mehr finanzielle Mittel und insbesondere für die Umstellung auf alternative Antriebe einen belastbaren Förderrahmen über 10 Jahre.
4. Ausbau Erneuerbarer Energien
„Wir werden noch im ersten Halbjahr 2022 gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen alle notwendigen Maßnahmen anstoßen, um das gemeinsame Ziel eines beschleunigten Erneuerbaren-Ausbaus und die Bereitstellung der dafür notwendigen Flächen zu organisieren.“ (Seite 57, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK fordert hierzu, dass in einer gemeinsamen Kommission unter Beteiligung der Kommunen die Zielkonflikte zwischen bau- und planungsrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen und naturschutzrechtlichen Aspekten gelöst und gemeinsame Handlungsoptionen gefunden werden. Kommunen und kommunale Unternehmen stehen bereit, wenn die Rahmenbedingungen verbessert werden.
5. Wärmewende
„Wir werden uns für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen. Wir streben einen sehr hohen Anteil Erneuerbarer Energien bei der Wärme an und wollen bis 2030 50% der Wärme klimaneutral erzeugen.“ (Seite 58, Koalitionsvertrag)
Eine deutliche Ausweitung der energetischen Gebäudesanierung ist auf eine aufsuchende und an den Möglichkeiten der Gebäudeeigentümer orientierte Energieberatung angewiesen. Die bestehenden Förderkonzepte sind stärker auf Zuschüsse und Quartierskonzepte zu orientieren. Eine Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes ist gemeinsam mit den Kommunen umzusetzen.
Eine kommunale Wärmeplanung sollte die „Wärmewende“ vorantreiben. Die dafür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen sind zügig noch in 2022 gemeinsam zu entwickeln.
6. Klimaanpassung
„Mit einem Klimaanpassungsgesetz schaffen wir einen Rahmen, um gemeinsam mit den Ländern eine nationale Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen etwa in den Handlungsfeldern Hitzevorsorge, Gesundheits- und Allergieprävention und Wasserinfrastruktur umzusetzen und rechtzeitig nachsteuern zu können. Erste dringliche Maßnahmen werden wir zudem mit einem Sofortprogramm sehr schnell auf den Weg bringen. Wir streben eine Verankerung der gemeinsamen Finanzierung von Bund und Ländern zur Klimavorsorge und Klimaanpassung an und wollen sie mit ausreichend finanziellen Mitteln ausstatten.“ (Seite 40, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK fordert die frühzeitige Einbeziehung der Kommunen bei der Erarbeitung des Klimaanpassungsgesetzes. Die Kommunen wollen handeln. Schnell und konsequent für resiliente Gemeinden.
Die Bundes-SGK begrüßt die Absicht der neuen Bundesregierung die Transformation von der linearen zur Kreislaufwirtschaft zu fördern und damit zahlreiche Arbeitsplätze zu schaffen. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Kommunen "die Treiber der Kreislaufwirtschaft" werden (siehe EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft). Kommunen können ihre bestehende Netzwerke mit Hochschulen, Unternehmen, Bürger:innen und Verbänden nutzen und durch die Beschaffung Vorbildfunktion übernehmen. Die dafür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen sind zügig in 2022 gemeinsam zu entwickeln.
7. Digitalisierung
„Die Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) geht mit einer ausreichenden Folgefinanzierung einher, mit der eine klare Standardisierung und Vereinheitlichung von IT-Verfahren nach dem Einer-für-alle-Prinzip (EfA) unterstützt wird. Im Rahmen der IT-Konsolidierung schaffen wir klare Verantwortlichkeiten und führen die IT-Budgets des Bundes zentral zusammen. Aus der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) machen wir eine agile, flexible Einheit mit einem mehrjährigen Globalbudget. Kommunen müssen von Bundesmitteln profitieren und im Rahmen des EfA-Prinzips entwickelte Lösungen übernehmen können.“ (Seite 15, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK fordert, dass die Kommunen in diesen Prozess der Reorganisation der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung verstärkt mit einbezogen werden. Insbesondere für die Umsetzung des OZG benötigt es eines klaren und realistischen Zeithorizontes, um den Bürgerinnen und Bürgern konkrete Ergebnisse präsentieren zu können.
8.Wohnungspolitik
„Wir werden ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren abschließen. Wir werden zeitnah eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen.“ (Seite 88, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK spricht sich dafür aus, dieses Bündnis möglichst zeitnah zu begründen und die Kommunen an der Entwicklung der neuen Instrumente zu beteiligen. Wir unterstützen vor Ort das Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen zu lassen, darunter auch viele öffentlich geförderte.
„Wir werden das Baugesetzbuch (BauGB) mit dem Ziel novellieren, seine Instrumente noch effektiver und unkomplizierter anwenden zu können.“ (Seite 89, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK spricht sich für eine Novellierung aus, die auch die bodenpolitische Dimension einbezieht und die Anwendbarkeit der mit dem Baulandmobilisierungsgesetz erreichten Instrumente entfristet und von länderrechtlichen Regelungen unabhängig macht.
„Solange nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden, verhindert die Wohnraumknappheit vor allem in Ballungsgebieten, dass sich angemessene Mieten am Wohnungsmarkt bilden können. Daher werden wir die geltenden Mieterschutzregelungen evaluieren und verlängern.“ (Seite 91, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK plädiert dafür, dass auch die Mietenpolitik Gegenstand des Bündnis für bezahlbaren Wohnraum unter Federführung des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen wird.
9. Sozialstaatsversprechen
„Wir wollen Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungswesens unterstützen. Den Mittelabruf beim Digitalpakt schule werden wir beschleunigen und entbürokratisieren. Bund, Länder und Kommunen identifizieren noch im ersten Halbjahr 2022 gemeinsame Vorschläge für kurzfristige Lösungen und vereinbaren Umsetzungsschritte.“ (Seite 96, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK fordert die Länder auf, gemeinsam mit den Kommunen flexible Digitalstrategien für die Schulen zu entwickeln und sich dabei von einer einseitig an den Investitionen in Hard- und Software orientierten Förderungsstrategie zugunsten einer Verbesserung der jeweiligen Implementationsbedingungen aus ganzheitlicher Sicht unter Einbeziehung des Lehrkörpers leiten zu lassen.
„Wir werden mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen. Wir werden mehr Kinder aus der Armut holen und setzen dabei insbesondere auch auf Digitalisierung und Entbürokratisierung. Wir werden Kitas, Schulen und sonstige Angebote der Bildung und Teilhabe sowie Mobilität weiter stärken.“ (Seite 100, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK erwartet, dass durch die vorgesehenen Maßnahmen insbesondere Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, entlastet werden.
„Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen. Das Bürgergeld soll die Würde des uns der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein. (…) Das Bürgergeld stellt die Potenziale der Menschen und Hilfen zur nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe. (…) Der Vermittlungsvorrang im SGB II wird abgeschafft. Die Förderung der Weiterbildung und Qualifizierung werden wir stärken. (Seiten 75/76, Koalitionsvertrag)
Eine Neuausrichtung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik stärker an den Bedürfnissen der betroffenen Transfergeldempfänger:innen erfordert eine verbesserte Personalausstattung in den Jobcentern.
10. Teilhabe und Beteiligungskultur – Stärkung der Zivilgesellschaft
„Wir wollen einen grundlegenden Wandel hin zu einem ermöglichenden, lernenden Staat, der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet. (…) Wir wollen eine neue Kultur der Zusammenarbeit etablieren, die auch aus der Kraft der Zivilgesellschaft heraus gespeist wird. (Seite 8, Koalitionsvertrag)
„Wir wollen die Qualität der Gesetzgebung verbessern. Dazu werden wir neue Vorhaben frühzeitig und ressortübergreifend, auch in neuen Formaten, diskutieren. Wir werden dabei die Praxis und betroffene Kreise aus der Gesellschaft und Vertreterinnen und Vertreter des Parlaments besser einbinden sowie die Erfahrungen und Erfordernisse von Ländern und Kommunen bei der konkreten Gesetzesausführung berücksichtigen.“ (Seite 9, Koalitionsvertrag)
Die Bundes-SGK begrüßt die Absicht der neuen Bundesregierung, eine neue Beteiligungskultur zu praktizieren. Wir sind bereit dazu, den gesellschaftlichen Fortschritt in einem Gemeinschaftsprojekt eines kooperativen Föderalismus zu befördern, denn der Fortschritt muss sich in Städten, Gemeinden und Kreisen verwirklichen