Positionspapier
Beschlüsse Vorstand

Positionspapier "Forderungen der Bundes-SGK an die Bundespolitik"

17. November 2017

Bundespolitik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Städte, Gemeinden und Kreise den Bürgerinnen und Bürgern eine sichere Heimat und eine leistungsfähige Infrastruktur bieten. Kommunen müssen handlungsfähige Partnern von Bund, Ländern und Europa sein. Der Bund ist in der Verantwortung für eine gute Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen, die öffentliche Daseinsvorsorge zu sichern und lokale Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.

Die staatlichen Ebenen müssen zusammenwirken, um allen Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Leben zu ermöglichen. Kooperation und gleichwertige Lebensverhältnisse sind Voraussetzungen für eine gesicherte Zukunft und hohe Lebensqualität. Dafür benötigen wir die Solidarität zwischen allen Teilen Deutschlands.

1. Kommunale Finanzkraft stärken

Entlastung der Kommunen von Soziallasten

Mit der demografischen Entwicklung und der Verbesserung sozialer Dienstleistungen sind die von den Kommunen zu tragenden sozialen Kosten ein sich besonders dynamisch entwickelnder Bereich. Dabei handelt es sich um so wichtige Aufgaben, wie die Kinder-und Jugendhilfe, die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Behinderungen, die Hilfen für Pflegebedürftige oder die Unterstützung bei den Kosten der Unterkunft. Wir betrachten diese Aufgaben als gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die auch gemeinsam von Bund, Ländern und Gemeinden getragen werden sollten. Mehrkosten, die bei den Kostenträgern wegen neuer Regelungen durch das Bundesteilhabegesetz und die Pflegestärkungsgesetze entstehen, müssen zwingend vom Bund getragen werden.

Der Bund muss auch in der kommenden Legislaturperiode wieder für die Entlastung der kommunalen Haushalte Sorge tragen. Als vorzugswürdigen Weg weiterer Entlastungsschritte sieht die Bundes-SGK nach wie vor eine Übernahme der Kosten der Unterkunft nach SGB II durch den Bund an.

Um die insbesondere im Jahr 2015 in großer Zahl zu uns geflüchteten Menschen mit Bleibeperspektiven nach Abschluss ihrer Anerkennungsverfahren als Asylbewerber oder geduldete Flüchtlinge gut in unsere Gesellschaft integrieren zu können, brauchen die Kommunen auch über 2018 hinaus die Unterstützung von Bund und Ländern. Deshalb muss sich der Bund dauerhaft an den Aufwendungen für die Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern beteiligen. Das betrifft sowohl die Kosten der Erstaufnahme und Unterbringung, als auch die den Kommunen zu erstattenden Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge. Die Länder beteiligen ihre Kommunen an der ihnen vom Bund zur Verfügung gestellten Integrationspauschale.

Steuereinnahmen der Kommunen sichern

Die Gewerbesteuer muss erhalten bleiben und keine weiteren Ausnahmeregelungen bei der Frage der Hinzurechnung von Mieten, Pachten und Leasingraten zugelassen werden. Die ab 2019 stattfindende Absenkung der Gewerbesteuerumlage darf nicht in Frage gestellt werden.

Spätestens mit der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht im Januar 2018 wird eine Grundsteuerreform notwendig, die eine verfassungsmäßig gebotene gerechte Bewertung der Grundstücke und Immobilien vornimmt. Eine Neuregelung muss auch für die Zukunft sicherstellen, dass die Eigentümer mit dieser Steuer in angemessener Weise an den Kosten der Kommunen beteiligt werden.

Weitere Änderungen im Steuersystem, die zu Mindereinnahmen bei den Kommunen führen, müssen durch den Bund kompensiert werden.

Kommunalen Investitionsstau auflösen

Um bestehende Instandhaltungs- und Erneuerungsbedarfe in der kommunalen Infrastruktur abzubauen, muss neben der Verbesserung der allgemeinen Finanzausstattung der Kommunen die vom Bund begonnene Unterstützung insbesondere finanzschwacher Städte, Gemeinden und Kreise bei Investitionen fortgeführt werden. Dazu soll der Kommunalinvestitionsförderungs-fonds weiter aufgestockt und langfristig gestreckt werden. Die Verwendungsmöglichkeiten der Mittel sollten vergleichbar der Öffnung des Kooperationsverbotes für die Schulinfrastruktur auf weitere Bereiche ausgedehnt werden.

Kommunale Altschulden ablösen

Die aktuelle Niedrigzinsphase bietet die Chance, die Altschulden von Kommunen umzuschulden und sich den bestehenden Zinsvorteil zunutze zu machen. Ohne Lösung der Altschuldenproblematik wird eine nachhaltige Entlastung der Kommunen nicht möglich sein.

2. Investitionen in die Bildung

Weiteren Ausbau der Kinderbetreuung fördern

Die Bundes-SGK erwartet vom Bund, dass der weitere Ausbau und die Schaffung von Ganztageseinrichtungen für Kinderbetreuung, Qualitätsverbesserungen durch mehr Personal, die Schaffung von Eltern-Kind-Zentren und die schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren durch den Bund mitfinanziert werden. Dazu gehört vor allem auch eine Erhöhung der Bundesmittel für die Betriebskosten.

Ganztagsschulprogramm auflegen

Bund und Länder sollten eine Ganztagsschuloffensive verabreden und sich an dem Ausbau von Schulsozialarbeit beteiligen. Die Finanzierung eines Rechtsanspruches auf Hortplätze darf nicht über SGB VIII geschehen sondern muss im Rahmen der Bildungsfinanzierung als Bestandteil der Ganztagsschule abgesichert werden.

3. Öffentlich geförderte Beschäftigung

Mehr Mittel für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser

Das SGB II darf sich nicht zu einem Verwahrsystem für Bedürftige entwickeln. Es ist von Ausgaben zu entlasten und instrumentell so zu ertüchtigen, dass auch Menschen mit schwerwiegenden Leistungshemmnissen zur Teilhabe am Erwerbsleben befähigt werden können. Dazu bedarf es mehr Mittel für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser. Dafür sollte ein Passiv-Aktiv-Tausch ermöglicht werden.

Wesentlich für den öffentlichen Beschäftigungssektor ist die individuelle Förderung und Stabilisierung mit einer langfristigen Wirkungsbetrachtung. Hauptziel muss die Heranführung an den ersten Arbeitsmarkt sein. Zur Realisierung muss die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Jobcentern gestärkt werden.

Im Sinne der Prävention müssen die Übergänge Schule/Beruf verbessert werden. Mit der Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylbewerbern sind die Aufgaben der Integration in den Ausbildung und Arbeit zusätzlich gestiegen.

4. Stärkung der Kommunen in der Pflege

Planungskompetenzen für Kommunen in der Pflege

Um das Ziel, alternde und pflegebedürftige Menschen bei ihrer selbständigen Lebensführung zu unterstützen, zu erreichen, sind öffentlich bereitgestellte Infrastruktur, eine starke Pflegeversicherung, aber auch die Förderung sozialer Netze der Zivilgesellschaft nötig. Es geht dabei um Barrierefreiheit, um Lösungen für die nahräumliche Versorgung mit alltäglichen Bedarf, um ambulante Hilfen für jene, die es allein nicht mehr schaffen. Deshalb ist neben den Leistungen der Pflegeversicherung ein Mix an Unterstützungsleistungen notwendig, die durch Familien, im Ehrenamt oder als professionelle Dienstleistungen erbracht werden können. Die Kommunen müssen gestärkt werden, damit sie die notwendigen Pflegestrukturen planen und gemeinsam mit der Pflegeversicherung entwickeln können.

5. Wohnungsbau und Städtebauförderung

Wohnungsbau weiterhin durch den Bund unterstützen

Das finanzielle Engagement des Bundes für die soziale Wohnraumförderung muss verstetigt werden. Neben der Förderung preis- und belegungsgebundenen Wohnraums sollte gemeinsam mit den Ländern auch eine gezielte Förderung bei der Gründung von Genossenschaften erfolgen. Für Regionen mit erhöhtem Leerstand sollten Ansiedlungsprämien geschaffen werden. Die eingeleitete Mietenbegrenzungspolitik muss der Bund konsequent fortführen, u.a. mit einer Begrenzung der Modernisierungsumlage. Das Wohngeld muss an gestiegene Mietniveaus angepasst werden.

Die Liegenschaftspolitik des Bundes muss sich an den Erfordernissen in den Kommunen ausrichten. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben muss ihre Veräußerungspolitik auch an lokalen Wohnungsbaumöglichkeiten für preiswerten Wohnraum  orientieren. Dieses muss im  BImA-Gesetz und der Verbilligungsrichtlinie klarstellen. Durch eine Stärkung kommunaler Vorkaufsrechte könnte die Liegenschaftspolitik der Kommunen verbessert werden.

Städtebauförderung fortsetzen und sichern

Die Teilprogramme der Städtebauförderung müssen fortgesetzt werden und die Gesamtmittel auf hohem Niveau verstetigt. Das Teilprogramm Soziale Stadt muss noch stärker zu einer integrativen Sozialraumplanung entwickelt werden. Die Städtebauförderung sollte darüber hinaus dazu genutzt werden, systematische quartiersbezogene Energieeffizienzstrategien aufzubauen und ein Sonderprogramm „Stadtumbau – nachhaltige Mobilität“ aufzulegen.

6. ÖPNV und Umweltverbund stärken

ÖPNV-Finanzierung durch Bund und Länder verbessern 

Das GVFG-Bundesprogramm muss fortgeführt und noch einmal deutlich erhöht werden. Die an die Länder gefallenen Mittel aus den ehemaligen Länderprogrammen GVFG bedürfen einer langfristigen Zweckbindung.

Mit der Verkehrswende wird der Einsatz von neuen schadstofffreien Antriebstechnologien einhergehen. Um diese Entwicklung zu unterstützen, fordern wir insbesondere zur Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs ein umfängliches Förderprogramm zur Modernisierung der Fahrzeugflotten der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen. Gleiches gilt für den gesamten Bereich kommunaler Nutzfahrzeuge.

7. Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen

Gesamtdeutsches Förderprogramm zur Stärkung strukturschwacher Regionen

Ziel muss es sein, allen Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Leben zu ermöglichen. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind Voraussetzungen für eine gesicherte Zukunft und hohe Lebensqualität. Wir setzen uns daher für die Solidarität zwischen allen Teilen Deutschlands ein.

Regionen, die strukturschwach sind oder sich im Wandel befinden, müssen zielgenau gefördert werden. Nach Auslaufen des Solidarpaktes braucht es ein gesamtdeutsches Fördersystem, das alle strukturschwachen Regionen in den Blick nimmt. Ab 2019 darf nicht mehr nach Himmelsrichtung gefördert werden, sondern nach Bedarf. Dort, wo die Arbeitslosigkeit hoch und die Strukturschwäche groß ist, egal, ob im Osten oder im Westen Deutschlands werden Akzente gesetzt. Dazu müssen die Gemeinschaftsaufgaben zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) und die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) zusammengeführt, ergänzt und ausgeweitet zu einem neuen und besseren Fördersystem weiterentwickelt werden. Dieses System soll Städten und Gemeinden bei der Bewältigung der Aufgaben des Strukturwandels der Wirtschaft, der digitalen Vernetzung und der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch eine innovationsorientierte Wirtschaftsförderung genauso dienen wie der Versorgung dünn besiedelter Räume mit Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Zentrale Bedeutung kommt dabei der verkehrlichen und kommunikationstechnischen Erreichbarkeit zu. Notwendig sind deshalb eine verlässliche Förderung von Infrastruktur und leistungsfähigen Mobilitätskonzepten wie auch der zügige Ausbau einer flächendeckend hochleistungsfähigen grundsätzlich glasfaserbasierten Breitbandversorgung bis ins Gebäude.

8. Öffentliche Daseinsvorsorge weiterentwickeln

Sicherung der Kommunalen Daseinsvorsorge

Qualitativ hochwertige öffentliche Güter und eine leistungsfähige Infrastruktur sind Voraussetzung für ein international erfolgreiches Deutschland. Dazu zählt auch der Bestand an öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen. Für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind sie die Basis der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Bundes-SGK wendet sich deshalb gegen jede Privatisierungsideologie. Einen Zwang zur Vermögensveräußerung lehnen wir ab.

Der Bund muss sich auch weiterhin für die Absicherung und Stärkung  der kommunalen Daseinsvorsorge im Europäischen Binnenmarkt, bei Freihandelsabkommen und der Chancengleichheit gegenüber privaten Unternehmen in den Märkten zur Infrastrukturbereitstellung einsetzen.