Positionspapier
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Positionspapier "Erfolgreicher Weg in die Zukunft – Gute Bedingungen für die Kommunen"

(Kommunalpolitische Leitlinien zur Umsetzung des Zukunftsprogrammes der SPD)
9. Juli 2021

Die Bundes-SGK sieht in Anbetracht der Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, die Notwendigkeit politische Prioritäten zu setzen und mit einem starken handlungsfähigen Staat die notwendigen Investitionen für die Zukunft auf den Weg zu bringen und den Sozialstaat zu sichern. Ein starker handlungsfähiger Staat ist auf seine Kommunen und kommunalen Unternehmen angewiesen. Ihre Daseinsvorsorgeleistungen sichern die Zukunft!

1. Sichere Finanzen und Perspektiven für die Kommunen
Um den in diesem Papier dargelegten Handlungserfordernissen und Investitionsbedarfen gerecht zu werden, brauchen die Kommunen eine solide Finanzierungsgrundlage.
Im Hinblick auf die nach den Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung gegenüber der Finanzsituation vor der Corona-Pandemie in den Jahren 2021 und 2022 zu erwartenden Steuermindereinnahmen der Kommunen in Höhe von insgesamt weiteren rund 20 Milliarden Euro bedarf es einer Kompensationsleistung, um geplante Investitionen nicht zu gefährden und das kommunale Investitionsniveau weiterhin bedarfsgerecht hoch zu halten und damit dem volkswirtschaftlichen Ziel der Konjunkturstabilisierung gerecht zu werden. Daraus resultiert die Forderung an Bund und Länder, auch für dieses und das kommende Jahr eine dem Jahr 2020 vergleichbare Kompensation der Gewerbesteuermindereinahmen vorzunehmen. Zusätzliche Fördermittel in Bundesprogrammen können die strukturellen Probleme kommunaler Haushalte nicht lösen und sind oft mit überbordender Bürokratie belastet, sind aber im konkreten Fall auch willkommen. So begrüßt die kommunale Familie ein Bundesprogramm zur Unterstützung der Kommunen bei der Revitalisierung von Innenstädten und Ortszentren. Um nachhaltig die kommunale Finanzsituation in Kommunen mit hohen Altschuldenlasten zu entspannen, bedarf es weiterhin einer Lösung durch die Übernahme dieser Kredite durch Bund und Länder. Darüber hinaus muss weiterhin nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die Belastung der kommunalen Haushalte durch steigende Soziallasten durch Bund und Länder vermindert werden können. Die Anhebung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft nach SGB II auf bis zu 75% in 2020 war hier der richtige Weg.

2. Klimaneutrale Kommunen
Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll, braucht die Energiewende einen neuen Schub. Klimaziele und Energiewende müssen in den Kommunen realisiert werden. Dazu zählt ein weiterer und umfassenderer Ausbau der Erzeugung von Strom und Wärme aus Erneuerbaren Energien. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen für den Ausbau von Solaranlagen für Mieterstrom genauso verbessert und genutzt werden wie für den weiteren Ausbau der Windkraft. Wir benötigen eine quartiersbezogene kommunale Wärmeplanung, die sowohl den Ausbau der Netze als auch die Schaffung von Speichern, die Einbeziehung von Abwärme aus der Müllverbrennung, Abwasser und Industrie und die Nutzung der Kraft-Wärme-Koppelung miteinbezieht. Das Ziel muss die Versorgung der Gebäude mit klimaneutraler Wärme sein. Um diese Prozesse in den Kommunen zu befördern bedarf es entsprechender Planungs- und Personalkapazitäten und eigener Investitionen in Vorbildfunktion. Die entsprechenden Unterstützungen von Bund und Ländern müssen dauerhaft und projektunabhängig erfolgen. Neben den CO2-reduzierenden Maßnahmen stehen die Anforderungen an Klimaanpassungsmaßnahmen, die Investitionen in Regenrückhaltebecken genauso umfassen wie die Qualifizierung von Freiräumen als Frischluftschneisen und die Sicherung des Trinkwassers in Dürreperioden.

3. Nachhaltige Mobilität in den Kommunen
Jede Bürgerin und jeder Bürger soll einen wohnortnahen Anschluss an den ÖPNV haben. Hier sind auch innovative und flexible digitale Angebote als Verkehre auf Nachfrage erforderlich. Eine solche Mobilitätsgarantie verpflichtet die kommunalen Aufgabenträger ein entsprechendes Angebot zu organisieren und die Länder für eine entsprechende Finanzierung zu sorgen. Der Ausbau und die Qualitätsverbesserungen im ÖPNV sind das Rückgrat jeder Mobilitätswende.
Um die batteriebezogene Elektromobilität im PKW-Bereich voranzubringen, bedarf es der Schaffung eines flächendeckenden Schnellladenetzes für Elektromobile in der Stadt und auf dem Land. Hier müssen private Anbieter genauso aktiv werden wie z.B. kommunale Unternehmen, insbesondere die Stadtwerke als Stromverteilnetzbetreiber. Es gilt innovative Lösungen für die dicht bebauten inneren Städte zu finden, die nicht über ausreichende Flächen für Ladestationen verfügen. Die Schieneninfrastruktur muss weiter ausgebaut und stillgelegte Trassen reaktiviert werden. Mit dem Deutschlandtakt sollen auch alle Großstädte wieder ans Fernverkehrsnetz angeschlossen und neue schnelle Zug- und Nachtzugverbindungen in unsere Nachbarländer etabliert werden. Vor allem geht es aber um eine Attraktivitätssteigerung des Nahverkehrs mit engeren Taktungen, nutzerfreundlichen Anschlussverbindungen, komfortableren Zügen, flächendeckendem W-LAN und Reservierungsmöglichkeiten für Sitzplätze. Jenseits der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern zur Verkehrsfinanzierung bedarf es einer grundsätzlichen Lösung für eine dauerhaft bedarfsgerechte Verkehrsfinanzierung. Es braucht eine Investitionsoffensive, die für die nächsten zehn Jahre auf einem bedarfsgerechten Niveau eine auskömmliche Finanzierung der Transformation zu nachhaltiger Mobilität in Städten und im Verbund mit den Regionen ermöglicht.

4. Digitale Souveränität in den Kommunen
Die Entwicklung des vergangenen Jahres hat uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie notwendig der weitere Ausbau der digitalen Infrastruktur ist. Breitband und 5G bilden die Grundlage dafür, dass wir in Zukunft neue Technologien einsetzen können und dass keine Region abgehängt wird. Automatisiertes Fahren, eine digitalisierte Energieversorgung, eine Smart City oder Smart Country werden ohne die entsprechende Infrastruktur nicht möglich sein.
Viele Kommunen verfügen mittlerweile über digitale Informationssysteme, bauen diese weiter aus und bieten digitale Leistungen an. Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes hat Fahrt aufgenommen. Das zweite Open-Data-Gesetz (Datennutzungsgesetz) befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Die Nutzung der Daten darf nicht zu einer einseitigen Angelegenheit privater Konzerne werden. Die Kommunen und ihre Unternehmen müssen im gleichen Maße von den Daten der Privaten profitieren können, wie diese von den transparent gemachten öffentlichen Daten. Telekommunikationsdienste sollten zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehören, denn sie sind die Voraussetzung für eine bessere Daseinsvorsorge vor Ort in allen Bereichen von der Gesundheitsversorgung bis zur Abwasserentsorgung. Gleichwertige Lebensverhältnisse wird es nur mit einer besseren digitalen Infrastruktur geben. Es braucht daher den flächendeckenden 5G- Ausbau überall und Glasfaser an jedes Haus. Zugleich müssen die öffentlichen IT-Dienstleister und Kommunalverwaltungen dabei unterstützt werden, Open Source-Softwarelösungen zu entwickeln um unabhängiger von großen marktbeherrschenden Anbietern zu werden. Die Kommunale Familie mit ihren Verbänden prüft Möglichkeiten für den und ist initiativ beim Einsatz von Open Source Software, die Kommunen zur Verfügung stehen soll und individuell an deren Bedürfnisse angepasst werden kann. Ziel muss die möglichst unabhängige Handlungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit von Kommunen in der digitalen Welt sein.

5. Update für die Gesundheit
Im Zukunftsprogramm der SPD heißt es: „Eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung kann am besten durch eine Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulanten und stationären Sektor, eine Überwindung der Sektorengrenzen und eine gute Koordination und Kooperation der medizinischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Berufe gelingen.“ Damit ein solcher Prozess gelingen kann, muss die finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser anders geregelt werden. Sie brauchen eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass der Erhalt der Versorgung und der Ausbau integrierter Versorgungszentren in den ländlichen Räumen voranschreitet. Hier bieten die Modelle kommunaler Dienstleistungszentren in den Kleinzentren dünner besiedelter Regionen einen Ansatzpunkt. Schließlich soll der Öffentliche Gesundheitsdienst auf neue Füße gestellt werden. Das Aufgabenspektrum des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) hat in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Wandel erfahren. In vielen Bereichen der Gesundheitsförderung, Prävention, der Gesundheitsversorgung benachteiligter Gruppen sowie der kommunalen Gesundheitsplanung ist der Öffentliche Gesundheitsdienst zum zentralen Ansprechpartner geworden. Der Öffentliche Gesundheitsdienst stellt als wichtiger Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge somit eine wichtige Säule des deutschen Gesundheitswesens dar. Das Spektrum der Aufgaben reicht von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Familien mit Kleinkindern (z. B. Frühe Hilfen), der Beratung von Eltern, Kita- und Einschulungsuntersuchungen, Untersuchungen und Beratungen von Schwangeren, der Schwangerschaftskonfliktberatung sowie Kontroll- und Überwachungsaufgaben im Bereich der Krankenhaus-, Umwelt- und Seuchenhygiene bis hin zum Infektionsschutz. Durch die Corona-Pandemie ist sichtbar geworden, wie schlecht der ÖGD im Bereich der Digitalisierung und des Datenaustausches und ganz generell im Hinblick auf fehlendes Personal aufgestellt war. Hier muss besser für die Zukunft vorgesorgt werden. Die Bundes-SGK begrüßt daher ausdrücklich die Bemühungen des Bundes und der Länder im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken. Diese Initiative darf aber nicht als Einmaleffekt verschwinden. Wir brauchen eine nachhaltige Stärkung des ÖGD, um dessen grundsätzliche Bedeutung für eine präventive und sozial gestaltete Gesundheitsversorgung zu nutzen.

6. Kindergrundsicherung, Kitas und Schulen
Die Bundes-SGK plädiert für eine Kindergrundsicherung, die existenzsichernd die bisherigen Leistungen für Familien in einem neuen Kindergeld zusammenfasst, dass nach dem Einkommen der Familie gestaffelt ist und sich am Unterstützungsbedarf orientiert. Die Kindergrundsicherung als Bundesleistung würde die Kommunen entlasten und Erwerbstätige aus der Abhängigkeit des SGB II herausführen. Die zweite Säule einer Kindergrundsicherung ist die Bereitstellung einer Infrastruktur, die gerechte Bildung und Teilhabe für alle Kinder ermöglicht. Sie umfasst gute Kitas und Ganztagsangebote für Schulkinder. Die von den Kommunen gewährleistete Infrastruktur und ihr Ausbau müssen durch Bund und Länder unterstützt werden.

7. Weiterentwicklung des SGB II
Auf dem Weg in die Zukunft müssen wir das SGB II weiterentwickeln. Hubertus Heil hat hier als Bundesarbeits- und -sozialminister bereits einen Entwurf eingebracht, der wichtige Schritte der Reform der Hartz IV – Gesetzgebung auf dem Weg zu einem Bürgergeld, wie es das Zukunftsprogramm der SPD fordert, einleitet. Dazu zählt die Umsetzung der Ergebnisse des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019 hinsichtlich der bisherigen Sanktionierungen, dies betrifft Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse, die höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs betragen dürfen und die Ungleichbehandlung unter 25-Jähriger.
Der zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie eingeführte, erleichterte Zugang zu Leistungen des SGB II soll verstetigt werden. Insbesondere soll eine Karenzzeit von zwei Jahren eingeführt werden, innerhalb derer die Aufwendungen der Leistungsberechtigten für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in tatsächlicher Höhe anerkannt werden. Selbstgenutztes Wohneigentum soll nicht als Vermögen berücksichtigt werden und weiteres Vermögen nur berücksichtig, wenn es erheblich ist. Ein moderner Sozialstaat muss sich der Frage nach der Anerkennung von Lebensleistungen stellen. Es handelt sich um eine Gerechtigkeitsfrage ob man 35 Jahre oder nur wenige Monate oder Jahre in die Sozialversicherung eingezahlt hat. Daher sollten Leistungen des Dritten Sozialgesetzbuches länger wirken. Es hat sich bewährt für Langzeitarbeitslose sinnvolle und sozial abgesicherte Tätigkeiten zu schaffen. Deshalb sollte der soziale Arbeitsmarkt, der in dieser Legislaturperiode von der SPD eingeführt wurde verstetigt, ausgebaut und weiterentwickelt werden.

8. Verbesserungen in der Pflege
Im Zukunftsprogramm der SPD wird als Ziel eine Vollpflegeversicherung als Bürgerversicherung anvisiert. Aus kommunaler Sicht ist es besonders wichtig, in einem ersten Schritt die Eigenanteile der Pflegebedürftigen zu deckeln, damit Pflege für sie bezahlbar bleibt und möglichst kein Grund zur Beantragung von Hilfen zur Pflege aus der Sozialhilfe wird. Die derzeit am Ende der Legislaturperiode eingebrachte Pflegereform dient diesem Ziel nicht hinreichend, wenn auch positiv hervorgehoben werden muss, dass ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Leistungen der Beschäftigten in der Pflege genommen wird, wenn die Arbeitgeber dazu verpflichtet werden, einen Tariflohn zu zahlen. Wir schließen uns den Forderungen des Zukunftsprogramms der SPD an, dass den Kommunen mehr Möglichkeiten erhalten sollen, darüber zu entscheiden, wo und in welcher Trägerschaft Heime entstehen. Neben den Leistungen der Pflegeversicherung ist ein Mix an Unterstützungsleistungen notwendig, die durch Familien, im Ehrenamt oder als professionelle Dienstleistungen erbracht werden können. Die Kommunen müssen gestärkt werden, damit sie die notwendigen Pflegestrukturen planen und gemeinsam mit der Pflegeversicherung entwickeln können.

9. Wohnungspolitik
Das finanzielle Engagement des Bundes für die soziale Wohnraumförderung muss verstetigt werden. Neben der Förderung preis- und belegungsgebundenen Wohnraums sollte gemeinsam mit den Ländern auch eine gezielte Förderung bei der Gründung von Genossenschaften und anderen einer sozialen Wohnraumbereitstellung verpflichteten Wohnungseigentümern erfolgen. Für Regionen mit erhöhtem Leerstand sollten Ansiedlungsprämien geschaffen werden.
Die Liegenschaftspolitik des Bundes muss sich an den Erfordernissen in den Kommunen ausrichten. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben muss ihre Veräußerungspolitik auch an lokalen Wohnungsbaumöglichkeiten für preiswerten Wohnraum und anderen stadtentwicklungspolitischen Erfordernissen orientieren. Dieses muss im BImA-Gesetz und der Verbilligungsrichtlinie klargestellt werden. Die Kommunen selber sind aufgefordert, eine sinnvolle Bodenvorratspolitik zu betreiben. Hierzu können kommunale Bodenfonds einen wichtigen Beitrag leisten. Auch durch eine Stärkung kommunaler Vorkaufsrechte könnte die Liegenschaftspolitik der Kommunen verbessert werden. Die zeitliche Befristung und die inhaltliche Begrenzung auf „angespannte Wohnungsmärkte“, die von den Ländern festgesetzt werden, für dieses und andere Instrumente des Bau- und Planungsrechts müssen entfristet und generell anwendbar werden. Zusätzlich bedarf es eines besseren Instruments einer Innenentwicklungsmaßnahme und der Erleichterung von Umnutzungen. Nach der letzten BauGB-Novelle ist vor der nächsten BauGB-Novelle.
Die eingeleitete Mietenbegrenzungspolitik muss der Bund konsequent fortführen. Das Wohngeld muss auch künftig an gestiegene Mietniveaus angepasst werden.

10. Stärkung der Innenstädte und Ortszentren
Unsere Innenstädte befinden sich seit geraumer Zeit in einem Strukturwandel, der sich mit Beginn der Corona-Pandemie rasant verstärkt hat. Die zeitlich befristete Sondersituation des Lock-Downs mit geschlossenen Geschäften, Gastronomiebetrieben und Kulturstätten verdeckt, dass zahllose Inhaber um ihre Existenz kämpfen oder schon aufgegeben haben. Das ganze Ausmaß wird erst in der Folgezeit sichtbar, wenn jetzt nicht gehandelt wird. Die gegenwärtige Lage muss ein Weckruf an alle Beteiligten sein, jetzt die richtigen Schlüsse für Innenstädte und Ortskerne der Zukunft zu ziehen. Dabei sind jede Kommune und jeder Stadtteil geprägt durch eigene Herausforderungen. Notwendig sind Ideen, die passgenaue Lösungen für die jeweilige Situation vor Ort ermöglichen. Ein alleiniger Fokus auf Einkaufsmeilen und Cities wäre falsch: Vielfach besteht in den kleineren Stadteilzentren oder den Ortskernen in ländlichen Gemeinden sogar besonderer Handlungsbedarf. Es bedarf neuer Überlegungen für Nutzungsmischungen und -qualitäten, mehr nicht-kommerzielle Räume und fortschrittliche Mobilitätsangebote. Stadtplanung und Wirtschaftsförderung haben die Aufgabe, Konzepte zu entwickeln und langfristig angelegte Allianzen zu schmieden, um die Innenstädte mit neuem Leben zu füllen. Alle dafür relevanten Akteure an einen Tisch zu bekommen heißt, den Kreis breit aufzustellen: Gewerkschaften und Wirtschaft, Einzelhandel und Gastronomie, das Beherbergungsgewerbe, die Veranstaltungsbranche, das Handwerk, die Kreativwirtschaft, Bildungseinrichtungen, Kulturschaffende, Zivilgesellschaft und Initiativen wie City-Labs. Immobilieneigentümer und Gewerbetreibende müssen mit in die Verantwortung genommen werden. Die Kommunen brauchen die Unterstützung von Bund und Ländern. Das betrifft sowohl die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Städtebauförderung als auch die Schaffung verbesserter Instrumente im Bau- und Planungsrecht und dem Umweltrecht, u.a. zur Flexibilisierung von Umnutzungsprozessen. Schließlich ist ein Sofortprogramm wünschenswert, mit dem schnell und unbürokratisch Maßnahmen der Kommunen finanziert werden, die nicht aus den Regelsystemen finanziert werden können.

11. Kultur neu starten
Zur Förderung der Kultur müssen die bestehenden Infrastrukturen aufrechterhalten und die Produktionsmöglichkeiten künstlerischer und kultureller Inhalte auch in der freien Szene gesichert werden. Dazu sollen nach dem Zukunftsprogramm der SPD die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstler:innen verstärkt berücksichtigt und zur besseren sozialen Sicherung von freischaffenden Künstler:innen Mindestgagen und Ausstellungshonorare festgelegt werden. Mit dem Überbrückungshilfen III des Bundes, dem Bundesprogramm Neustart Kultur hat der Bund mit dem Sonderfonds ein drittes Instrument zur Förderung der Kultureinrichtungen und kultureller Veranstaltungen aufgelegt. Da der Wiederbeginn des kulturellen Lebens immer noch mit pandemiebedingten Unsicherheiten verbunden ist, soll der Sonderfonds Schutz vor Beschränkungen der Besucherzahlen und anderen Restriktionen und Risiken bieten.
Damit Kunst entstehen kann und Kultureinrichtungen allen offenstehen, vom Theater bis zum Musikclub, vom Museum bis zum soziokulturellen Zentrum, von der Bibliothek bis zur Musikschule, wird es eine entscheidende Aufgabe sein, die Kommunen auch finanziell dauerhaft in die Lage zu versetzen, Kunst und Kultur aus eigener Kraft zu fördern. Dieser Forderung des Zukunftsprogramms der SPD kann man sich nur anschließen.

12. Vielfalt und Integration
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Die demografische Entwicklung in Deutschland führt langfristig dazu, dass die Zahl der erwerbsfähigen Menschen sinken wird und auch der arbeitende Teil der Bevölkerung spürbar altert. Bis 2060 wird es nach heutigen Schätzungen ein Drittel weniger Menschen sein, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Familien-freundliche Politik oder bessere Arbeitsbedingungen sind wichtig, können diesen Trend alleine aber längst nicht mehr umkehren. Wir brauchen die Unterstützung von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland, um dem Fachkräftemangel und dem auch dadurch steigenden Druck und wachsender Arbeitsverdichtung für Arbeitnehmer:innen entgegenzuwirken und das wirtschaftliche Wachstum Deutschlands und unsere Sozialsysteme auch weiterhin zu sichern. Integration ist eine permanente gesellschaftliche, wie auch staatliche Aufgabe. Sie erfordert Respekt und Toleranz. Wir möchten allen Menschen, die neu zu uns kommen, den Anspruch auf Integrations- und Beteiligungsangebote gewährleisten. Für das Miteinander müssen die Integrations- und Sprachkurse für alle zugewanderten Menschen in Deutschland verbessert werden. Alle Kinder müssen unmittelbar die Möglichkeit erhalten, eine Kita zu besuchen; auch die Schulpflicht gilt unmittelbar für alle Kinder. Gut integrierten Menschen ohne gesicherten Aufenthalt wollen wir ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen. Die Möglichkeiten für eine Arbeitsaufnahme von Asylbegehrenden muss ebenfalls verbessert werden. Bund und Länder sind dazu aufgefordert, die Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten und Asylbegehrenden zu unterstützen. Dort, wo freie Kapazitäten und eine Aufnahmebereitschaft in den Kommunen bestehen, gilt es, diese zu fördern und im Rahmen einer solidarischen Flüchtlingspolitik auf europäischer und internationaler Ebene zu nutzen. Viele Kommunen fordern im Rahmen der politischen Initiative „Sichere Häfen“ neue und stärkere Programme zur legalen Aufnahme geflüchteter Menschen ein. Sie sind bereit, mehr Menschen als bisher aufzunehmen.

Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK
vom 11. Juni 2021