1. Kommunale Finanzsituation
Nach dem Einbruch der kommunalen Steuereinnahmen als Folge der Corona-Pandemie in 2020 um mehr als 10 Mrd. €, die durch die Unterstützung von Bund und Ländern, z.B. durch die Gewerbesteuerkompensation weitgehend aufgefangen werden konnte, haben sich die Steuereinnahmen in 2021 insgesamt wieder erholt, auch wenn sie das Niveau vor der Corona-Pandemie nicht erreicht haben und sich sehr ungleich verteilen. Das Statistische Bundesamt weist in der kommunalen Kassenstatistik für 2021 insgesamt einen Finanzierungsüberschuss von 4,6 Milliarden € aus.
Wie sich die Situation in 2022 weiter entwickeln wird, ist von mehreren Unsicherheiten geprägt. Die Prognosen zum Wirtschaftswachstum fallen aktuell alle sehr vorsichtig aus und reduzieren frühere Erwartungen sehr deutlich. Die Folgen des Krieges in der Ukraine und die damit verbundenen Erschütterungen der Weltwirtschaft haben neue Unwägbarkeiten mit sich gebracht. Wachsende Energie- und Rohstoffpreise und unterbrochene Lieferketten verstärken die Sorge vor Inflation und Rezession. Die Auswirkungen auf die kommunale Finanzsituation sind schwer prognostizierbar. Insgesamt müssen wir allerdings von einer erheblichen Verschuldung der öffentlichen Hand und einem erhöhten Zinsänderungsrisiko ausgehen. Unmittelbar mit den Folgen des Krieges verbunden ist die Vereinbarung über die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterbringung und Integration der Schutzsuchenden aus der Ukraine zu sehen. Hier galt es, aufgrund der aktuellen Notlage, den Kommunen die notwendige Sicherheit zu geben, dass sie nicht allein die Kosten tragen. Der Beschluss der Regierungschefinnen und –chefs der Länder und der Bundesregierung vom 7. April 2022 beinhaltet die Vereinbarung der Übernahme der Schutzsuchenden aus der Ukraine in den Rechtskreis des SGB II und damit eine weitreichend Kostenübernahme von Sozialleistungen durch den Bund. Zudem erhalten die Länder weitere 2 Mrd. € über Umsatzsteueranteile und es ist eine Revision im November 2022 geplant, bei der auf Basis dann genauerer Daten die weitere Kostenbeteiligung in 2023 vereinbart werden soll. Aktuell gilt es, vor allem die Länder dazu zu bringen, auch ihren Verpflichtungen nachzukommen. So bedürfen die Kommunen konkreter Hilfen bei der Verfügbarmachung von Unterkünften und den erforderlichen Hilfsmitteln zur Unterbringung der Schutzsuchenden. Zudem geht es darum, geeignete Vorkehrungen für die Kinderbetreuung und Beschulung der schutzsuchenden Kinder und Jugendlichen zu treffen.
2. Notwendigkeit kommunaler Investitionen
Die Notwendigkeit kommunaler Investitionen ergibt sich nicht nur aus dem Erfordernis, die kommunale Infrastruktur zu erneuern und aufrechtzuerhalten. Sie sind auch erforderlich, um die vielfältigen Transformationserfordernisse in Wirtschaft und Gesellschaft zu erfüllen: Klimaschutz und Klimaanpassung, Anforderungen an eine verbesserte Resilienz erfordern neue Investitionen. Dazu zählen eine beschleunigte Energie- und Wärmewende, die Mobilitätswende, Maßnahmen zur Klimaanpassung, eine Modernisierung der kommunalen Infrastrukturen, eine erfolgreiche Digitalisierung öffentlicher Dienste und Verwaltungen, die Erneuerung von Orts- und Stadtzentren, der soziale Wohnungsbau bis hin zur Neuaufstellung im Gesundheitswesen. Der zweite wesentliche Grund für eine stetige und hohe kommunale Investitionstätigkeit liegt in ihrer volkswirtschaftlichen Funktion der Stabilisierung der Konjunktur. Anders: es darf nicht gegen die Krise angespart werden. Denn sonst droht eine negative Entwicklung, mit dem Abbau von Kapazitäten, dem Fehlen von Personal, der Reduzierung der Aufträge und damit geringere Wertschöpfung, Wirtschaftskraft und auch Steuereinnahmen.
3. Förderung kommunaler Investitionen mit Förderprogrammen
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung beinhaltet eine deutliche Ansprache bezüglich der kommunalen Handhabbarkeit von Förderungsprogrammen und verspricht hier Verbesserungen. „Wir werden Förderprogramme zusammenfassen, vereinfachen, flexibilisieren, harmonisieren und die Mittel dorthin fließen lassen, wo der Nachholbedarf am größten ist. (…) Kommunen sollen zur Inanspruchnahme von Förderprogrammen besser beraten werden. Hürden beim Mittelabruf werden wir abbauen, für finanzschwache Kommunen z.B. durch Reduzierung oder den Ersatz von Eigenmitteln. Nicht abgerufene Fördermittel stellen wir zweckgebunden weiterhin (überjährig) für Förderungen der Kommunen zur Verfügung.“ (Seite 127, Koalitionsvertrag)
Pauschalen statt Einzelmaßnahmen
Eine wichtige Maßnahme einer langfristigen und planbaren Förderung von Investitionen sind dauerhafte Investitionspauschalen. Diese eröffnen den Kommunen vor Ort im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung wichtige Entscheidungs- und Handlungsspielräume und reduzieren den administrativen Aufwand. Förderprogramme mit spezifischen Einzelaspekten und komplexen Einzelnachweisen erschweren insbesondere für kleinere und finanzschwache Kommunen das Fördermittelmanagement.
Bekämpfung nichtinvestiver Hemmnisse (Personal)
Eine aktuelle Studie der KfW kommt zu folgendem Ergebnis: „Knappe Personalkapazitäten erschweren Ausweitung kommunaler Investitionen“. Neben den Finanzbedarfen sind die fehlenden Personalkapazitäten (quantitativ und qualitativ) ein weiteres besonderes Hemmnis.
„Die Handlungsfähigkeit der deutschen Kommunen und deren Beitrag zur Bewältigung der transformativen Herausforderungen entscheidet sich nicht zuletzt an den personellen Kapazitäten der Verwaltung dies gilt sowohl in quantitativer Hinsicht für die Zahl der verfügbaren Stellen, als auch qualitativ mit Blick auf die erforderlichen Qualifikationen. Neben einer auskömmlichen Finanzausstattung ist die Personalausstattung damit der zweite potenzielle Engpassfaktor für die Ausweitung öffentlicher Investitionen auf kommunaler Ebene.“ (KfW Research, Nr. 375, 7.4.2022, S.1)
In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die gegebenen Tarifstrukturen im Öffentlichen Dienst dazu geeignet sind dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Beispiel: Städtebauförderung
Die bisherigen Regeln der Fördersystematik zur Verteilung, Vergabe und Abrechnung der Fördermittel und ihre Kleinteiligkeit machen die Städtebauförderung als inhaltliche Förderung zur Erfolgsgeschichte aber als Förderinstrumentarium zu ineffizient und arbeitsaufwändig.
Vor diesem Hintergrund haben die gemeindlichen kommunalen Spitzenverbände in einer aktuellen Analyse der kommunalen Förderlandschaft einen 8-Punkte Plan zur Verbesserung der Förderprogramme entwickelt:
- Bund-Länder-Vereinbarung anpassen
- Das Haushaltsprinzip der Jährlichkeit öffnen
- Gesamtmaßnahmen anstelle von Einzelprojekten bewilligen
- Gesamtwirkungen messen (nicht kleinteilig Einzelprojekte prüfen)
- Prozesse vereinfachen und Komplexität reduzieren
- Kontroll- und Nachweisstrukturen digitalisieren
- Projektbezogenes Personal fördern
- Integrierte Fördersystematik einführen
Beispiel: Klimaschutzinvestitionen
- Das Präsidium des Deutschen Städtetages hat so für den künftig wichtigen Bereich der Investitionen in den Klimaschutz einen Beschluss gefasst, der noch einmal deutlich unterstreicht, dass andere und kommunalfreundlichere Förderstrukturen geschaffen werden müssen, um die notwendigen Investitionen zu ermöglichen. Die bisherigen Förderprogramme des Bundes sind zu schwerfällig Es bestehen Zweifel, ob das Verhältnis zwischen Fördermitteleinsatz und erzielten Klimaschutzeffekten in allen Förderprogrammen gleichartig bewertet wird. Erschwerend kommt hinzu, dass es gerade bei langfristig angelegten Infrastrukturprojekten an der Planungssicherheit für die Kommunen fehlt. Es wird eine Abkehr von der bisherigen Praxis kurzatmiger und überregulierter Förderprogramme gefordert. Die Förderung kommunaler Klimaschutzmaßnahmen sollte sich an folgenden Eckpunkten auszurichten: Festes Budget für jede Kommune
- Mehrjährige Planungssicherheit: Budget verfügbar über mehrere Jahre
- Wirkungsorientierte Förderung: Förderbetrag entsprechend der Klimawirksamkeit
- Schlanke Verwaltung: Konzentration der Prüfung auf den Beitrag zur Klimawirksamkeit
- Kommunale Berichtspflichten als Beitrag zu Transparenz, Steuerungsgrundlage sowie Ermittlung von Best-Practice-Beispielen
(Siehe auch: https://www.staedtetag.de/positionen/beschluesse/2022/praesidium-finanzierung-kommunaler-klimaschutzmassnahmen-30-03-22 )
4. Bundesbeteiligung an einer Lösung der kommunalen Altschuldenproblematik
„Wir brauchen leistungsstarke und handlungsfähige Kommunen. Es gibt viele Kommunen mit hohen Altschulden, die sich nicht mehr aus eigener Kraft aus dieser Situation befreien können. Ihnen fehlt die Finanzkraft für dringend notwendige Investitionen. Wir wollen daher diese Kommunen von Altschulden entlasten. (…) Dies kann nur in einem übergreifenden Konsens gelingen, der das Einvernehmen der Länder erfordert und eine Änderung des Grundgesetzes bedarf, für die die entsprechende Mehrheit im Deutschen Bundestag und Bundesrat nötig ist. (…)“ (Seite 163, Koalitionsvertrag)
Um den finanzschwachen Kommunen, die nicht alleine aus ihrer Altschuldenproblematik herauskommen, zu helfen, hat der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung eine Beteiligung des Bundes an einer Lösung angekündigt. Hierzu sollten sobald als möglich entsprechende Vorschläge unterbreitet werden, die zeitnah und gegebenenfalls auch ohne Grundgesetzänderung umsetzbar sind. Bei der Lösung des Problems der kommunalen Altschulden bedarf es der Zustimmung möglichst aller Länder. Bereits erfolgte Anstrengungen einzelner Länder sollten dementsprechend in einem Konzept angemessen berücksichtigt werden. Es ist hier an die Solidarität unter den Ländern zu appellieren.
5. Unterstützung kommunaler Unternehmen
Kommunale Unternehmen sichern die Daseinsvorsorge in Städten, Gemeinden und Kreisen. Durch die Corona-Pandemie und die sich bereits im vergangenen Jahr und jetzt als Folge des Krieges in der Ukraine entwickelnde Krise an den Energiemärkten führt auch zu erheblichen zusätzlichen Belastungen der kommunalen Unternehmen, die in den entsprechenden Bereichen der Daseinsvorsorge tätig sind. Hier sehen die Kommunen weitere Haushaltsrisiken auf sich zukommen.
Verkehrsunternehmen - Regionalisierungsmittel
Das Bundeskabinett hat am 27. April 2022 beschlossen, die Regionalisierungsmittel im Jahr 2022 nochmals um insgesamt 3,7 Milliarden Euro zu erhöhen. Die Summe setzt sich zusammen aus 2,5 Mrd. für das „9-Euro-Ticket“ sowie 50 % der pandemiebedingten Mindereinnahmen im Jahr 2022. Die Mindereinnahmen wurden seitens der Länder ursprünglich auf das Jahr gerechnet auf 3,2 Mrd. geschätzt. Für den dreimonatigen Zeitraum des „9-Euro-Tickets“ sind jedoch keine pandemiebedingten Mindereinnahmen zu erwarten, so dass die pandemiebedingten Mindereinnahmen um ein Viertel geringer ausfallen werden. Ausgeglichen werden demnach 1,2 Mrd. (50 % von 2,4 Mrd.). Sollten wider Erwarten die Kosten für den Rettungsschirm doch höher (oder niedriger) ausfallen, würden höhere oder niedrigere Ausfälle später ausgeglichen werden, da die 1,2, Mrd. spitz abgerechnet werden sollen. Für die Länder bleibt es im Ergebnis also bei der Zusage, dass der Bund 50 % der Kosten übernimmt. Die Sonderverkehrsministerkonferenz vom 25. März 2022 hat einen weiteren Bedarf von 750 Millionen Euro adressiert, um hiermit die erheblichen und nicht vorhersehbaren Kostensteigerungen u. a. im Bereich der Bau-, Energie- und Personalkosten im ÖPNV auskömmlich zu finanzieren. Diese sind nicht Inhalt des aktuellen Beschlusses zur Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Aus kommunaler Sicht bleibt die offene Frage, was mit dem Vorhaben der Ampelkoalition im Hinblick auf einen Aufbau- und Modernisierungspakt geschieht. „Wir wollen einen Ausbau- und Modernisierungspakt, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen unter anderem über die Finanzierung bis 2030 einschließlich der Eigenanteile der Länder und Kommunen und die Aufteilung der Bundesmittel verständigen sowie Tarifstrukturen diskutieren.“ (Seite 50, Koalitionsvertrag)
Probleme der Energieversorger
Aus der Krise an den Energiemärkten entstehen neue Risiken. Es können erhebliche zusätzliche Aufwände auch für die Kommunen als Eigentümer entstehen. Diese resultieren zum einen aus notwendigen Sicherheitsleistungen im strukturierten, auf langfristige Preisstabilität ausgerichteten Energiehandel der Stadtwerke, zum anderen aus den höheren Wiedereindeckungskosten bei einem (möglichen) Gaslieferstopp.
Sofern die kommunalen Energieversorger zur Bewältigung dieser finanziellen Risiken keine ausreichende staatliche Unterstützung erhalten, eine Weitergabe gestiegener Preise nicht oder nicht zeitgerecht möglich ist und keine preisregulierenden Maßnahmen ergriffen werden, können sie in existenzbedrohende Schieflage geraten. Um zu verhindern, dass dann in letzter Instanz die kommunalen Eigentümer gefordert sind, um eine Leistungseinstellung ihrer Unternehmen zu vermeiden, müssen staatliche Regelungen und Unterstützungsleistungen für kommunale Versorger auf Ebene des Bundes oder der Länder organisiert und finanziert werden.
Die Bundesregierung hat am 8. April 2022 einen Schutzschirm für Unternehmen beschlossen. Die befristeten Maßnahmen richten sich an Firmen, die von den Sanktionen oder den Folgen des Krieges in der Ukraine besonders betroffen sind. Nach gegenwärtiger Einschätzung sind kommunale Unternehmen hierbei noch nicht hinreichend berücksichtigt. Es ist deshalb darauf hinzuwirken, kommunale Unternehmen als gleichermaßen systemrelevant zu betrachten wie große private Unternehmen. Sie müssen deshalb vollumfänglich in staatliche Unterstützungsmaßnahmen und Regelungen einbezogen werden. Dies betrifft im Fall eines Gaslieferstopps und nachfolgender Gasmangellage insbesondere die kommunalen Stadtwerke.
Gesundheitswesen. Der ÖGD braucht dauerhafte Finanzierungsstrukturen nach der Corona-Pandemie. Außerdem drohen vielfältige Probleme im Bereich der Krankenhausfinanzierung nach der Corona-Pandemie.
Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK vom 29. April 2022