Der Bund muss mehr Verantwortung im Katastrophenschutz übernehmen!
Beschluss der digitalen Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 22. Januar 2022
Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 schwerpunktmäßig in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat uns deutlich vor Augen geführt, dass der Katastrophen- und Hochwasserschutz einer erheblichen Überarbeitung bedarf. Der Aufruf zur Evakuierung der Bürgerinnen und Bürger erfolgte mancherorts deutlich zu spät. In den betroffenen Regionen wurden die Kommunikationswege u.a. durch das zusammengebrochene Mobilfunknetz unterbrochen. Die Bevölkerung war außerdem durch die zerstörte Infrastruktur von der Außenwelt zunächst abgeschnitten. So schwierig und schmerzlich es ist, im Nachhinein eine solch unübersichtliche Situation zu analysieren, so muss es dennoch unser Anspruch sein, aus ihr zu lernen. Nur so können wir für die Zukunft bessere Vorkehrungen treffen. Hierzu wird auch die Enquete-Kommission des Landtages von Rheinland-Pfalz wichtige Hinweise liefern.
Rechtliche Grundlagen:
Grundsätzlich ist der Katastrophenschutz im Sinne des Föderalismus organisiert. Lediglich zu Kriegszeiten ist laut der aktuellen gesetzlichen Regelung der Bund bei kriegsbedingten Gefahren und Schäden zuständig. Die Zuständigkeit der Länder bezieht sich nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung (Art. 70 Abs. 1 i.V.m. Art. 30 GG) hingegen auf Gefahren und Schäden, die sich in Friedenszeiten ereignen. Diese grundsätzliche Kompetenzverteilung wird jedoch seit 2001 stetig hinterfragt, eine Reform der Zuständigkeiten im Katastrophenschutz ist jedoch gescheitert. Festgehalten ist eine Beteiligung des Bundes im Katastrophenschutz seit 1997 im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (kurz: ZSKG). Laut diesem darf der Bund nur in Form von Koordinierungsmaßnahmen aktiv werden, sofern er von einem oder mehreren Ländern dazu aufgefordert wurde (§§ 12, 16, 18 ZSKG). Nur über eine verfassungsrechtliche Änderung kann ein Gesetz zum Bevölkerungsschutz unter Beteiligung des Bundes zu Nicht-Kriegszeiten verlässlich realisiert werden.
Für regional begrenzte Katastrophenfälle haben die Länder bislang die Möglichkeit, auf Grundlage des Art. 35 Abs. 2 des Grundgesetzes die Unterstützungskräfte anderer Länder oder des Bundes anzufordern und anzuweisen. Hierfür müssen sie jedoch auch selbst die Kosten tragen. Vor allem bei Hochwasser-, Brandkatastrophen oder schweren Verkehrsunglücken wurde diese Regelung bislang genutzt.
Im überregionalen Katastrophenfall kann der Bund auf Grundlage des Art. 35 Abs. 3 des Grundgesetzes hingegen von Leitungsbefugnissen Gebrauch machen. So kann er etwa Anweisungen an die Länder erteilen und die Bundeswehr und die Bundespolizei einsetzen, ohne dass ein Land diese anfordert. Es wird jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass diese Leitungsbefugnis und deren Interpretationsspielraum klar umstritten sind. Weitere Kompetenzen hat der Bund bislang in den Bereichen der Terrorismusabwehr, des Atomrechts, der Seuchenbekämpfung und des Wasserhaushalts (Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a & Nr. 14; Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 & Nr. 32 GG).
Die Delegiertenversammlung der Bundes-SGK fordert:
- Cell Broadcasting soll schnellstmöglich und flächendeckend eingeführt werden. Das Frühwarnsystem ist bereits in den USA und Japan erprobt und ermöglicht es, auch bei teilweise zusammengebrochenen Mobilfunknetzen die Bevölkerung zu erreichen und vor Katastrophen zu warnen. Vor allem jedoch durch die direkte Verbindung über die persönlichen mobilen Endgeräte wird eine sehr gute Erreichbarkeit der Bevölkerung gewährleistet.
- Ausstattung und Beschaffung von speziellen Einsatzfahrzeugen in den Kommunen unterstützen (z.B. Tanklöschfahrzeuge, Gelände- und Wattfahrzeuge etc.) Nur mit entsprechender Ausrüstung kann in kritischen Situationen schnell gehandelt werden!
- Gewährleistung einer bundesweiten resilienten Warnkette. Nur aufgrund schneller und verlässlicher Informationen kann in kritischen Situationen angemessen gehandelt werden! Dafür ist eine Wiedereinführung eines bundesweiten Sirenennetzes dringend erforderlich.
- Ausreichende auch dezentrale Materialdepots zur Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten
- Optimierung der Kompetenzverteilungen zwischen den Ländern und dem Bund: Ziel muss eine effiziente und klare Aufgabenverteilung sein.