Beschlüsse Delegiertenversammlung

Positionspapier "Stärkung des sozialen Zusammenhalts"

23. November 2018

Stärkung des sozialen Zusammenhalts

Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK
am 23./24. November 2018 in Kassel

Vorbemerkung:
In vielen Städten, Gemeinden und Kreisen besteht die Sorge, dass vorhandene Tendenzen der Auseinanderentwicklung zu beobachten sind, die den sozialen Zusammenhalt gefährden. Das Nebeneinander unterschiedlicher Milieus, die wachsende Vielfalt und die Unterschiede in den Lebenslagen stellen eine dauernde Herausforderung für den sozialen Zusammenhalt dar.

Stärkung des sozialen Zusammenhalts

Ausgangspunkt vieler Verunsicherungen und Sorgen zur Frage des sozialen Zusammenhaltes liegen in dem Spannungsverhältnis von Freiheit und sozialer Sicherheit.

Für viele bedeutet die Emanzipation des Individuums von Gruppenzwängen Freiheit von Vorschrif­ten, Freiheit einen eigenen Lebensentwurf zu wagen und sich selbst zu verwirklichen. Das ist das Versprechen einer offenen, toleranten und gleichberechtigten Gesellschaft, wie sie sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den westlichen Demokratien, getragen von vielfältigen Bewegungen, entwickelt hat.

Was bedeutet der Freiheitsanspruch für den sozialen Zusammenhalt, für die Einordnung in die größe­re Gemeinschaft, für die Gruppenidentität? Die Individualisierung führt zu Auflösungsprozessen traditioneller Bindungen, von der Großfamilie zur Kleinfamilie, von der Nachbarschaft zum ortsunab­hängigen Netzwerk. Diese Auflösungsprozesse verunsichern. Es verliert sich die Gewissheit des Richtigen. Es mangelt an Orientierung.

Freiheit und Vielfalt sind Anstrengungen einer offenen Gesellschaft, die jeden Tag aufs Neue gelebt werden müssen. Grundlage ist das Grundgesetz mit seinen Grundwerten und dem darauf aufbauen­den Rechtsstaat. Solidarität, Fürsorge, die Unterstützung der Schwächeren in der Gemeinschaft sind Aufgabe der Gesellschaft und auch des Sozialstaates und seiner Institutionen. Trotz der umfangrei­chen Leistungen des Sozialstaates ist das Gefühl der sozialen Sicherheit bedroht und fehlt es an Vertrauen.

Daraus ergibt sich die Fragestellung:

Wie können wir den sozialen Kitt stärken, der Eigenverantwortung, Lebensmut und Beteiligung ermöglicht und das Zusammenleben in unseren Städten und Dörfern stärkt?

Dieser Beschluss nähert sich der Fragestellung aus fünf Richtungen:

  • Voraussetzung für eine selbstbestimmte Teilhabe an unserer Gesellschaft ist in der heutigen Wissensgesellschaft Bildung. Deshalb beginnt jede Sozialpolitik vorbeugend damit, den Kindern und Jugendlichen so zu helfen, dass sie nicht zu „Fällen“ des Sozialstaates werden. Dafür brauchen wir eine qualitätsvolle Kinderbetreuung, ein durchlässiges Schulsystem und eine Berufsvorbereitung, die niemanden zurücklässt. Deshalb ist unser Engagement für mehr und bessere Kitas und Schulen so wichtig!
  • Soziale Teilhabe entscheidet sich für die meisten Menschen durch ihre Integration in das Arbeitsleben der Gesellschaft. Deshalb sind die Voraussetzungen für die Teilhabe am Arbeits­markt ein entscheidender Schlüssel für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.
  • Seit dem Zuzug geflüchteter Menschen von 2014 bis 2016 in besonders großer Zahl hat sich eine verstärkte Verunsicherung vieler Menschen in Deutschland gezeigt, die mit der Frage nach dem sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft verbunden ist. Gelingt die Integration der zu uns Geflüchteten? Und in diesem Zusammenhang: Gelingt überhaupt die Integration der längst hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund?
  • Wenn wir von Zusammenhalt und von sozialer Integration sprechen, dann betrachten wir auch das soziale Leben in seinem Bezugsraum, dem Stadtteil, Quartier oder Dorf. Die Ent­wicklung zivilgesellschaftlicher Strukturen ist für den sozialen Zusammenhalt von großer Bedeutung. Sie müssen stabilisiert und gefördert werden.
  • Aktuell erweist sich in den wachsenden Städten, Gemeinden und Kreisen die Wohnungsnot als die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Der offenkundige Mangel an preiswerten Wohn­raum in diesen Regionen verursacht weitere Ängste und Unzufriedenheit, die den sozialen Zusammenhalt gefährden. (Hierzu hat die Delegiertenversammlung der Bundes-SGK einen eigenen Beschluss gefasst).

1. Vorbeugender Sozialstaat - Kinder, Jugendliche und Familien besser fördern!

Die Bundes-SGK setzt sich seit längerem dafür ein, allen Kindern Bildung und Betreuung von Anfang an zu gewährleisten. Bereits auf ihrer Delegiertenversammlung im März 2006 in Hannover hat die Bundes-SGK die Einführung der Gebührenfreiheit in Kindergärten, den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem zweiten Lebensjahr und einen für alle Kinder verpflichtenden Besuch einer Bildungseinrichtung im Vorschulalter gefordert.

Mit dem Kinderförderungsgesetz (KiföG) vor zehn Jahren wurde der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab 2013 im SGB VIII verankert und die Mitfinanzierung des Kinderbetreuungsausbaus einschließlich der Betriebskostenmitfinanzierung durch den Bund gesichert.

Die Bundes-SGK unterstützt weiterhin die Ziele einer schrittweiser Einführung der Beitragsfreiheit in Kinderbetreuungseinrichtungen, die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher, die Förderung der Sprachkompetenz in den Kitas, die Verbesserung der individuellen Förderung in kleineren Gruppen und bedarfsgerechte Öffnungszeiten. Diese Vorhaben sind wichtige Elemente zur Verbesserung der Förderung von Begabungen und zur Stärkung des sozialen Verhaltens aller Kinder. Frühkindliche Erziehung und Bildung sind die wesentliche Voraussetzung für die Schaffung von Chancengleichheit.

Nach wie vor gilt: Um diese weit reichende Weiterentwicklung der frühkindlichen Erziehung bald möglichst erreichen zu können, brauchen die Kommunen die Unterstützung von Bund und Ländern. Der Bund muss sich noch stärker an den Kosten der Verbesserung der Kinderbetreuung beteiligen, wie es in dem Konzept des BMFSFJ für ein „Gute-Kita-Gesetz“ auch angelegt ist. Zugleich müssen die Länder ihren Finanzierungsverpflichtungen nachkommen. 

Vorbeugen heißt, sich für die Verbesserung der Lebenssituation von Familien einzusetzen, insbeson­dere von Kindern, deren Eltern in Armut leben. Wir wollen, dass alle Kinder die gleichen Chancen in der Gesellschaft erhalten, und zwar unabhängig von der sozialen Herkunft. Wir wollen für alle Kinder gleiche Chancen auf Teilhabe und Selbstbestimmung, Bildung und gesunde Entwicklung. Wir setzen uns für eine präventive Gesundheitsförderung ein, die in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schu­len für ganzheitliche Konzepte für mehr Bewegung und gesunde Ernährung wirbt, und die unter­schiedlichen Akteure, wie z.B. Sportvereine und Schulen, miteinander vernetzt. Wir wollen, dass in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen alle Kinder ein gesundes Mittagessen erhalten.

Die Bundes-SGK setzt sich weiterhin für den Ausbau von Ganztagsschulen und die Neuauflage eines entsprechenden Programms ein. Durch Ganztagsschulen können die Begabungen und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen gezielter gefördert werden. Zugleich bieten Ganztagsschulen bessere Möglichkeiten für die Aufgaben der Inklusion, in der Verknüpfung mit der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern. Durch Netzwerke zwischen Schule, Wirt­schaft und Wissenschaft sowie Sport- und Kulturvereinen können vielfältige Angebote unterbreitet werden, die den Kindern und Jugendlichen helfen, sich besser auf den Beruf und weitere Ausbil­dungs­gänge in Fach- und Fachhochschulen sowie Universitäten vorzubereiten.

Die Bundes-SGK bekennt sich zur Einführung einer Kindergrundsicherung. Nur hierdurch ist es möglich, Kinderarmut gezielt zu bekämpfen.

2. Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt

Die Delegiertenversammlung der Bundes-SGK hatte bereits im Jahr 2013 ein Positionspapier „Investitionen in Teilhabe und dauerhafte Beschäftigung – Neugestaltung öffentlich geförderter Beschäftigung als Beitrag zu einer nachhaltig wirksamen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik“ beschlossen und einen erheblichen Ausbau der dafür erforderlichen Instrumente gefordert. Nicht zu leugnen ist, dass mit den bestehenden Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik und der mangelhaften finanziellen Ausstattung des Eingliederungstitels gerade jene, die schon lange Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehen, kaum erreicht werden konnten. Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit jedoch ist eine herausragende Aufgabe, weil sie durch den dauerhaften Ausschluss ganzer zum Teil generationenübergreifender Personenkreise führt, die den sozialen Zusammenhalt besonders bedrohen.

Die Bundes-SGK begrüßt deshalb die Pläne der Bundesregierung, im Sozialgesetzbuch II ein neues Regelinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ einzuführen und einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose zu schaffen. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen weiter erhöht und durch Passiv-Aktiv-Tausch erweitert werden.

Die Bundes-SGK plädiert dafür den Verwaltungsaufwand in den Job-Centern abzubauen, Überprü­fungsperioden zu verlängern und Kontrollen zu begrenzen. Es geht um das Grundprinzip des Förderns. Das angestrebte Verhältnis der Absenkung der Fallzahlen für die Mitarbeiter der Job-Center zur Verbesserung des Fallmanagements wurde seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht hinreichend erreicht. Junge Menschen unter 30 sollten pauschale Beträge erhalten, die Ihnen eine Lebenssicherung bieten, wenn sie sich in qualifizierte Ausbildung oder Weiterbildung begeben.

3. Zuwanderung und gelingende Integration

Wir leben in einem Einwanderungsland. Zwischen 2011 und 2015 ist der ausländische Bevölkerungs­anteil in Deutschland um 2,6 Prozentpunkte gewachsen und erreichte bundesweit einen Anteil von 10,5 Prozent. Die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund liegt noch deutlich höher. Viele dieser zugewanderten Menschen leben schon lange in Deutschland. Sie sind fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Es ist zu unterstreichen, dass bei vielen Menschen und an vielen Orten die Integration von Zuwanderung gelungen ist.

Bereits bei der Formulierung der Erfurter Positionen der Bundes-SGK in 2008 haben wir beschlossen:

„Integration zählt zu einer der wichtigsten Aufgaben, die Gesellschaft und Politik bewältigen müssen. Sie zielt auf die gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben unter Respektierung der jeweiligen kulturellen Eigenart. Es handelt sich um eine dauerhafte Aufgabe, die alle hier lebenden Menschen betrifft. Als Querschnittsaufgabe ist sie in allen Politikfeldern verankert, sei es in der Bildungs-, Jugend-, Senioren- oder in der Stadt­entwicklungspolitik für eine soziale Stadt.

Wir brauchen eine aktive Integrationspolitik des Förderns und Forderns. Die Schulen müssen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund unterstützen, damit sie für die Arbeitswelt ausreichend qualifiziert sind. Damit einher geht die Pflicht, zur Integration in unsere Gesellschaft auf der Basis der Werte des Grundgesetzes bereit zu sein. Das Erlernen der deutschen Sprache ist unter diesem Gesichtspunkt unverzichtbar und muss bereits in vorschulischer Bildung unter Einbeziehung der Eltern beginnen. Sozialdemokratische Kommunalpolitik hat den Anspruch, quantitativ ausreichende und zielgruppengerechte Angebote an Sprachkursen vorzuhalten. Sie fordert aber auch eine stärkere Selbstverpflichtung, diese Angebote wahrzunehmen.

Auf kommunaler Ebene existieren bereits vielfältige Bündnisse und Netzwerke für Integration, die von den Kommunen als zentrale Akteure mitgestaltet werden. Dabei arbeiten in Partnerstrukturen Kommune, Freie Wohlfahrtsträger, Verbände, Unternehmen, Organisationen der Migranten und sonstige Initiativen zusammen, um eine bessere Teilhabe und soziale Chancengleichheit zu erreichen.

Diese lokalen Bündnisse bzw. Netzwerke stellen auch eine Schnittstelle zu den Maßnahmen von Bund und Ländern dar. Die Länder sind vor allem im Bereich der Bildungs-, Kinder- und Jugendpolitik, aber auch in vielen anderen Politikfeldern gefordert, die Rahmenbedingungen der Integration zuge­wan­derter und zuwandernder Bevölkerung zu verbessern. Die mit dem nationalen Integrations­plan gestartete Initiative zur Stärkung der Integrationspolitik auf allen Ebenen sollte auch künftig fortge­führt werden. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit aller staatlichen Akteure, dem Bund, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, den Ländern und den Kommunen erforderlich.

Der Bund ist weiterhin in der Verpflichtung, durch seine Ausländer- und Asylbewerberpolitik einen humanen, die Menschenwürde der Migranten achtenden gesetzlichen Rahmen zu schaffen. Dieser muss auf die Bedürfnisse eines Landes mit Einwanderungsbedarf und wachsendem Fachkräftemangel zugeschnitten sein.“

Die hier formulierten Grundsätze sind vielfach in die konkrete Integrationspolitik der Kommunen eingeflossen und zeitigen positive Wirkungen. Sie wären einfach fortzuschreiben und ihnen wäre nichts hinzuzufügen, wenn sich die Situation und die Stimmung nicht deutlich geändert hätten.

In Anbetracht der großen Zahl der über die sogenannte „Balkanroute“ zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland gekommenen Flüchtenden und der damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Auf­nahme und Unterbringung hat sich die Bereitschaft größerer Teile der Bevölkerung und auch von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, die Geflohenen willkommen zu heißen, verän­dert. Seit 2016 beherrschen Sorgen und Ängste eine öffentliche Diskussion über Zuwanderungs­fragen, die nicht abzuebben scheint und regelmäßig von der CSU, der AfD, rechtpopulistischen Bewegungen und Rechtsextremisten für ihre jeweiligen Zwecke instrumentalisiert wird. Hier wird massiv an dem sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft und der Bereitschaft zur Solidarität gerüttelt.

Vor diesem Hintergrund gilt es, die Anstrengungen einer gelingenden Integration zu verstärken und sich mit den damit verbundenen Problemen zu stellen. So müssen die besonderen Probleme der Armutszuwanderung aus Südosteuropa in einige Städte von Ländern und Bund ernster genommen werden und bedürfen einer besonderen Unterstützung, wie dieses in 2014 einmalig durch die SPD auf den Weg gebracht wurde. Mögliche Fehlanreize, die von unserem Sozialleistungssystem aus­gehen und durch organisierte Gruppen ausgenutzt werden, müssen beseitigt werden. Illegales Handeln muss unterbunden werden.

Neben dem Erwerb der deutschen Sprache sind Beschäftigung und Integration in den Arbeitsmarkt eine wesentliche Voraussetzung für eine gelingende Integration. In diesem Zusammenhang müssen wir darüber nachdenken, wie es gelingen kann, Zuwanderung und Arbeitskräftemangel besser mitei­nander zu verzahnen.

Ein Baustein hierfür ist ein modernes Einwanderungsgesetz. Im Hinblick auf die sich derzeit bei uns befindlichen Geduldeten bedarf es weiterer Schritte. Es ist im Sinne einer wohlverstandenen Integra­tion widersinnig, die hier lebenden Menschen systematisch vom Arbeitsmarkt fern zu halten und damit auszuschließen. Hier sollte der sogenannte „Spurwechsel“ umgesetzt werden. Hier könnte mit einer Stichtagsregelung eine sinnvolle dauerhafte Legalisierung des Aufenthaltes geduldeter Menschen stattfinden.

Schließlich wird die Integration der zu uns Gekommenen genauso wie weitere Zuwanderung von Arbeitskräften, Asylbegehrenden und Geflüchteten nur gelingen können, wenn die Regelsysteme in den Kommunen funktionieren und gut ausgestattet sind. Dazu zählen insbesondere Kitas und Schulen, die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements, Wohnungsangebote im Marktsegment des preiswerten Mietwohnraums und die Job-Center zur Unterstützung der Integration in den Arbeitsmarkt.

Die SPD hat seit Beginn der verstärkten Zuwanderung in 2015 sich auf Bundesebene dafür eingesetzt, dass in den Kommunen mehr Geld für Kitas, Schulen und den sozialen Wohnungsbau verfügbar ist. Diese Politik muss konsequent fortgeführt und vertieft werden.

Bund und Länder sollten sich im Rahmen der Verhandlungen zur fortgesetzten Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration nach 2019  auch darüber verständigen, dass die Kommunen von ihren vielfältigen Aufgaben im Bereich der Integration dauerhaft entlastet werden und hierfür geeignete Instrumente entwickeln.

4. Engagement im Dorf und im städtischen Quartier ist ein Schlüssel für mehr sozialen Zusammenhalt

Der vorsorgende Sozialstaat braucht bürgerschaftliches Engagement. Politik und Verwaltung können nicht alle Probleme alleine lösen. Die Übernahme von Eigenverantwortung, das aktive Eingreifen im Alltag, gelebte Unterstützung und Hilfe füreinander, die Vielfalt der Leistungen der Genossenschaf­ten und Vereine, die vom Engagement der ehrenamtlich Tätigen abhängen, bilden die Basis einer Zivilgesellschaft, in der freie Entfaltung und Solidarität einander ergänzen. Die Kommunen sind auf die Eigeninitiative der von Problemen Betroffenen genauso wie auf das vielfältige private Engage­ment in der Bevölkerung angewiesen. Bürgerschaftliches Engagement kann die Kommunen ent­lasten, die Verantwortung für das Gemeinwohl bleibt aber eine zentrale Aufgabe von Politik und Verwaltung.

Stadt- und Dorfentwicklung sind auf die Eigenkräfte der Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers angewiesen, damit diese durch ihre Aktivitäten, Möglichkeiten der Teilhabe erhalten und sich so integrieren. Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem ermuntert, zur Teilnahme an Projekten animiert und sozialpädagogisch begleitet wird. Wenn es an Eigeninitiative mangelt, bedarf es einer aktivierenden Stadt- und Dorfentwicklungspolitik. Dafür eignen sich diejenigen, die als Projektträger oder Quartiers- oder Regionalmanager einspringen, wo keine funktionierenden zivilgesellschaftlichen Strukturen (Vereine, Wohlfahrtsorganisationen, Kirchengemeinden, Genossenschaften, örtliche Parteigliederungen) mehr bestehen.

Quartiersmanagement, aktivierende Quartierspolitik, sozialraumbezogene Sozialpolitik, soziale Stadt, Gemeinwesenarbeit, es sind viele Begriffe, die Konzepte und Politikansätze beschreiben, die eines gemeinsam haben. Es geht um die Vernetzung der Aktivitäten in den betroffenen Sozialräumen, in den Lebenswelten der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Dörfer, Siedlungen oder Quartiere.

Und es geht darum, die Regelsysteme unseres Sozialstaates, Schule, Kindergarten, Jugendhilfe, Arbeitsförderung, mit den Aktivitäten im Sozialraum zusammenzubringen. Es geht darum, gemein­sam mit den Menschen Aktivitäten zur Verbesserung der Lebenssituation zu organisieren. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe.

Wenn die Ziele einer Verbesserung der Teilhabechancen für die Bevölkerung und insbesondere die Kinder und Jugendlichen erreicht werden sollen, müssen Netzwerke aufgebaut werden, in denen sich die Menschen einbringen können und ihren Weg für einen gesellschaftlichen Aufstieg und ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Das ist der sozialpolitische Auftrag einer Stadtentwicklungspolitik der Sozialen Stadt genauso wie einer Stärkung der Dörfer im ländlichen Raum. Dabei können ehren­amtliche Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker einen wichtigen Vermittlungsauftrag zwischen Verwaltungen und Akteuren im Sozialraum übernehmen. Es bleibt ein Plädoyer an alle Beteiligte in den Entwicklungsprozessen eines Quartieres oder Dorfes aufeinander zuzugehen und miteinander zu kooperieren.