Beschlüsse Delegiertenversammlung

Positionspapier "In die Zukunft mit einer digitalen Verwaltung"

24. November 2018

In die Zukunft mit einer digitalen Verwaltung

Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK
am 23./24. November 2018 in Kassel

Vorbemerkung:
Länder wie Dänemark, Österreich oder Estland haben es vorgemacht. Die Einführung einer digitalen Verwaltung optimiert Prozesse und führt letztendlich zu mehr Zufriedenheit auf allen Seiten. Bei Bürgerinnen und Bürger, bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei den Unternehmen vor Ort. Prozesse werden beschleunigt und vereinfacht, doppelte Arbeit vermieden, Zeit wird gespart und Transparenz gefördert.

Der Koalitionsvertrag von SPD/CDU/CSU fordert einen Wechsel der Verwaltung vom analogen ins digitale Zeitalter. Ob durch die bundesweite Einführung der E-Akte oder die Einführung eines Online- Bürgerportals, die Verwaltungsdienstleistungen der Kommunen sollen in naher Zukunft digital angeboten werden.

Den Kommunen kommt die Aufgabe zu, die enormen Herausforderungen einer digitalen Verwaltung anzunehmen und umzusetzen. Ein Kraftakt! Denn bisherige analoge Prozesse können nicht einfach in digitale Prozesse überführt werden. Die neuen Vorgaben aus dem IT-Planungsrat gilt es mit den bereits entwickelten Online-Dienstleistungsangeboten zu verknüpfen. Die Kommunen gehen hierfür in den Spagat zwischen den Anforderungen des Bundes und den eigenen strukturellen und techni­schen Gegebenheiten und Möglichkeiten.

Die Digitalisierung kann nur gelingen, wenn die Online-Dienstleistungsangebote von Bürgerinnen und Bürger akzeptiert und genutzt werden und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwal­tungshäusern gut im Umgang mit den neuen digitalen Arbeitsprozessen sind.

Der erfolgreiche langfristige Aufbau einer digitalen Verwaltung ist ohne eine digitale Hochleistungs­infrastruktur mit 5G unmöglich, denn nur sie schafft die Grundlage für die Bearbeitung des stetig wachsenden Datenaufkommens in den Verwaltungen.

Das Ziel einer erfolgreichen Transformation von bisher analog agierender hin zu einer digitalen Ver­waltung kann nur gelingen, wenn Veränderungen vorgenommen und neue Wege gegangen werden – unter der Mitnahme aller Beteiligten vor Ort!

Die Bundes-SGK hat in diesem Beschluss vier Handlungsfelder ausgearbeitet, die als die zentralen Eckpunkte für die erfolgreiche Implementierung von digitalen Dienstleistungen in den kommunalen Verwaltungen anzusehen sind.

In die Zukunft mit einer digitalen Verwaltung

1. Die Kommunen gestalten den digitalen Wandel vor Ort

Die Digitalisierung muss als fortlaufendes Entwicklungsprojekt in den Kommunen und nicht irrtümlich als ausschließliches IT-Projekt verstanden werden – denn es betrifft nicht nur die IT-Infrastruktur sondern alle Arbeitsprozesse in den Verwaltungen und damit die Arbeitskultur insgesamt. Die Schaffung von Grundlagen für eine erfolgreiche digitale Verwaltung kann nur gelingen, wenn eine Kultur der Offenheit bei den Mitarbeitern auf allen Führungs- und Arbeitsebenen vorherrscht.

Der Nutzen der Digitalisierung muss in den Vordergrund gestellt und gegenüber den Mitarbeitern und den Bürgern kommuniziert werden. Wir sehen hier besonders die Zeitersparnis – für Bürgerin­nen und Bürger sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung. Gleichwohl bleibt die Begegnung der Menschen, Verwaltungsangestellte mit Bürgerinnen und Bürgern eine nicht ersetzbare Notwendigkeit des Verwaltungshandelns und der Kommunalpolitik.

Bei der Digitalisierung in den Kommunen bedarf es „Treiber“, zum Beispiel die Hauptverwaltungs­beamten (im Amt des Landrates, Oberbürgermeisters, Bürgermeisters oder Stadtdirektors) oder als Stabstellenleiter, die hierfür die volle Rückendeckung und Akzeptanz erhalten müssen. Oftmals sitzen die IT-Experten aber nicht in der Verwaltung, sondern finden sich bei externen Dienstleistern. Sie können „die Treiber“ bei dem Aufbau der IT-Infrastruktur und bei der Gestaltung von internen digitalen Arbeitsprozessen und Online-Bürgerdiensten unterstützen. Hierbei müssen besonders kleinere Kommunen nicht alleine agieren, sondern können durch interkommunale Kooperationen schneller zum Ziel gelangen, wenn sie gemeinsam IT-Dienstleister nutzen.

Wir fordern deshalb eine Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit im Rahmen der digita­len Verwaltung!

Bei der digitalen Verwaltung müssen die Anwenderinnen und Anwender im Mittelpunkt stehen, von ihnen aus müssen die digitalen Prozesse gedacht, entwickelt und aufgesetzt werden. Der erste Schritt liegt in der Auswahl erster Handlungsfelder in der Verwaltung, die schnell, kostengünstig und effektiv digital umgesetzt werden können. Denn ein schneller Erfolg kann die Akzeptanz in der Verwaltung und Öffentlichkeit erhöhen.

Für die Umsetzung der Digitalisierung in der Verwaltung fordern wir eine Fehlerkultur, denn die schnelle Einführung bzw. das Ausprobieren von digitalen Prozessen wird in der Regel auch ein Nachjustieren erfordern. Den Betroffenen muss die Möglichkeit zum Feedback gegeben werden, um die digitalen Prozesse stetig zu verbessern und ihnen eine Partizipation zu ermöglichen und damit die Akzeptanz zu erhöhen.

Wir fordern eine dauerhafte finanzielle Unterstützung der Kommunen bei der Digitalisierung ihrer Verwaltung. Es reicht nicht aus, von Seiten der Länder und des Bundes nur Modellprojekte über einen bestimmten Zeitraum zu unterstützen, so kann keine nachhaltige und dauerhafte Implemen­tierung neuer digitaler Verwaltungsvorgänge gelingen. Die Digitalisierung der Verwaltung stellt eine dauerhafte Aufgabe aller Akteure von Kommunen, Bund und Ländern dar und bedarf einer gegen­seitigen dauerhaften Unterstützung. Die Kommunen stehen hierbei vor großen Herausforderungen: Sie müssen die Vorgaben des IT-Planungsrates umsetzen und dabei zugleich ihre kommunale Selbst­verwaltung erhalten.

2. Fachkräfte sind die Grundlage für eine erfolgreiche digitale Verwaltung

Für eine erfolgreiche digitale Verwaltung bedarf es einer guten digitalen Infrastruktur und ent­sprech­ender Fachkräfte, die mit ihrem Knowhow die Entwicklung vorantreiben. Die Verwaltung steht beim Anwerben von IT-Fachkräften in direkter Konkurrenz zur Wirtschaft. Bereits in den Ausbildungs­gängen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst müssen die Anforderungen der Digitalisierung stärker ihren Platz finden.

Die Einführung von digitalen Prozessen muss innerhalb der Verwaltung durch Schulungen und Weiterbildung der Mitarbeiter flankiert werden. Denn die Digitalisierung erfordert ein neues Wissen, welches professionell vermittelt werden muss. Nur wenn die Digitalisierung eine allumfängliche Akzeptanz findet, kann sie auch nachhaltig gelingen. Und ein erster Schritt ist das Erlernen von neuen Arbeitsprozessen und damit die Partizipation am Gesamtvorhaben innerhalb der Verwaltung.

Die kommunale Verwaltung wird sich in naher Zukunft mit einer großen Zahl an Ruheständen konfrontiert sehen. Die Stellenprofile bei Neuausschreibungen müssen den neuen Anforderungen des digitalen Arbeitens in einer Verwaltung entsprechen.

In Anbetracht des allgemeinen Fachkräftemangels sollte auch ein Umdenken durch Loslösung von engen Qualifikationsstandards erfolgen und die Bereitschaft bestehen, Quereinsteiger aufzunehmen und ihnen eine zusätzliche Qualifikationschance durch begleitende Ausbildung zu bieten.

Die Digitalisierung der Verwaltung stellt nicht einen Prozess dar, der ausschließlich die Infrastruktur verändert, sie verändert die gesamte Arbeitsweise aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den kommunalen Häusern. Daher ist es notwendig, dass diese tiefgreifenden Veränderungen von den obersten Gremien der kommunalen Verwaltung gewollt, mitgetragen und gefördert werden. Die Digitalisierung wird eine Veränderung in der Arbeitskultur erzeugen, die nur durch Offenheit, Akzep­tanz und Mitnahme aller Mitarbeiter gelingen kann. Gerade die Führungskräfte müssen Treiber der Digitalisierung in ihren Abteilungen sein, denn sie nehmen eine Schlüsselrolle bei der Implementie­rung von neuen Arbeitsprozessen ein.

Durch digitale Prozesse kann sich die kommunale Verwaltung als Arbeitgeber präsentieren, der die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktiv fördert und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anbietet. Denn die Digitalisierung ermöglicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Arbeits­modelle im Bereich des Home-Office und des mobilen Arbeitens. Verwaltungen müssen sich als inno­vativer Arbeitsort präsentieren, der nicht mehr auf veralteten Arbeitsstrukturen aufbaut, sondern agil agiert.

3. Bürgerbeteiligung sichert die Akzeptanz von digitalen Verwaltungsangeboten

Die digitalen Verwaltungsangebote müssen einfach in der Handhabung und damit bürgerfreundlich sein. Nur so lässt sich eine schnelle Akzeptanz beim Anwender erzielen. Hierbei ist es wichtig, ausge­hend von der Nutzerperspektive die Prozesse digital zu gestalten und nicht von den bisherigen ana­logen Arbeitsprozessen auszugehen. Es gilt, einen normalen Umgang mit den digitalen Angeboten der kommunalen Verwaltung bei Bürgerinnen und Bürgern zu erzeugen und eine schnelle Akzeptanz zu schaffen. Bürgerinnen und Bürger müssen durch die eigene Anwendung verstehen, dass die digita­len Angebote leicht zu nutzen sind. Die Einbeziehung von Testgruppen während der Entwicklungs­phase von digitalen Verwaltungsangeboten kann die Benutzerfreundlichkeit steigern und damit zu einer größeren Akzeptanz in der Einführungsphase führen.

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die digitalen Angebote muss zudem durch einen sicheren Umgang mit ihren Daten geschehen. Bürgerinnen und Bürger dürfen sich nicht verunsichert fühlen, sondern müssen Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Funktionalität der IT-Sicherheit haben. Wir fordern hierfür eine Standardisierung von IT-Sicherheitszertifikaten.

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger können mit einem sicheren „Once-Only-Prinzip“ (Nur-Einmal-Prinzip) gewonnen werden. Die persönlichen Daten werden hierbei einmalig erfasst und für alle weiteren behördeninternen Nutzungen von Seiten der Verwaltung mehrmalig verwendet. Dadurch wird eine gezielte Erleichterung auf Seiten des Bürgerinnen und Bürger erzeugt, denn sie müssen ihre Stammdaten nur einmalig hinterlegen und nicht bei jedem Vorgang wieder eingeben und entsprechend Nachweise führen.

4. Nur im Schulterschluss von Kommunen, Ländern und dem Bund kann eine erfolgreiche digitale Verwaltung entstehen

Die Wahrung der Datenhoheit ist essentiell für die kommunale Selbstverwaltung, diese muss gesich­ert und weiterhin anerkannt werden. Die Kommunen müssen selbstständig und frei entscheiden können, ob und wem sie zu welchen Konditionen ihre Open Data zur Verfügung stellen.

Wir verstehen die Digitalisierung der Verwaltung als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht alleine von den Kommunen finanziert, umgesetzt und verantwortet werden kann. Die flächendecken­de Einführung der Digitalisierung in die Verwaltung kann nur gelingen, wenn der interkommunale Austausch vorangetrieben und Kooperationen zwischen den Kommunen gefördert werden. Wir fordern daher, dass von Seiten der Länder und des Bundes Anreize für die Kommunen gesetzt werden, Netzwerke und Modellregionen zu bilden. Diese Modellregionen können als Experimentier­räume verstanden werden, die im Verbund neue nachhaltige Lösungen für die digitale Verwaltung entwickeln, die anderen Kommunen zur Verfügung gestellt werden können.

Durch den Aufbau eines digitalen Netzwerkes zwischen Kommunen können standardisierte Schnitt­stellen entwickelt werden. Im Vordergrund müssen Bündelungszwecke stehen, die die einzelnen Kommunen bei der Implementierung und der Umsetzung von Vorgaben des IT-Planungsrates entlasten.

Die Kommunen werden im IT-Planungsrat durch die kommunalen Spitzenverbände vertreten, doch haben diese kein Stimmrecht, obwohl im IT-Planungsrat die Aufgaben für die Digitalisierung in den Kommunen festgelegt werden. Wir fordern deshalb eine stärkere Rückkoppelung des IT-Planungs­rates mit den Kommunen und ein frühzeitiges Integrieren von Kommunen bei Vorhaben des IT-Planungsrates. Zudem bemängeln wir, dass auf Seiten des IT-Planungsrates kein Budget für die Einführung der digitalen Verwaltung in den Kommunen vorgesehen ist. Es darf nicht sein, dass Entscheidungen getroffen werden, ohne eine finanzielle Absicherung zu gewährleisten und stattdessen Kommunen in die finanzielle Verantwortung zu nehmen.

Forderungen:

  • Fachkundige Aufklärung und Begleitung der Kommunen über den Nutzen, die Chancen und Risiken von Open Data sowie weitere Ausarbeitungen des Rechtsrahmens für Open Data.
  • Rechtsanspruch auf Breitbandzugang als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge
  • Keine 5G-Lizenzvergabe ohne verpflichtenden flächendeckenden 5G-Ausbau durch die Mobilfunkbetreiber, denn nur 5G schafft die notwendige technische Grundlage für eine digitale Verwaltung der Zukunft. Der 5G Ausbau darf sich nicht alleine an wirtschaftlichen Standortkriterien orientieren, sondern muss von Seiten der Bundesregierung als eine Zukunftsinvestition in die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger gesehen werden.
  • Die Stärkung des Mitbestimmungsrechts der kommunalen Spitzenverbände beim IT-Planungsrat
  • Die Bürgerinnen und Bürger müssen auch zukünftig eine Möglichkeit haben ihre Kommune analog zu erreichen.
  • Verstetigte finanzielle Beteiligung des Bundes und der Länder an der Einführung und dauerhaften Umsetzung der digitalen Verwaltung in den Kommunen