Beschlüsse Delegiertenversammlung

Positionspapier "Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben - Ein Beitrag zur Stärkung der Finanzkraft strukturschwacher Kommunen"

Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 22./23. April 2016 in Potsdam
22. April 2016

                    
Die Entwicklung der Sozialausgaben der Kommunen ist durch eine andauernde Steigerung der Aufwendungen gekennzeichnet, die in einzelnen Bereichen besonders dynamisch verläuft. Das betrifft z.B. die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder die Hilfen zur Erziehung in der Jugendhilfe, die Hilfen zur Pflege, die alle durch steigende Fallzahlen gekennzeichnet sind.

Demgegenüber steht eine unzureichende Investitionstätigkeit der Kommunen, um die Instandhaltung und Anpassung der baulichen Infrastruktur an moderne Erfordernisse zu gewährleisten. Die Kommunen als Baulastträger können die Anforderungen nicht erfüllen. Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Fratzscher-Kommission beim Bundeswirtschaftsminister haben den kommunalen Investitionsstau 2015 mit 132 Milliarden und 156 Milliarden Euro geschätzt.

Dabei sind die Auswirkungen in den einzelnen Städten, Gemeinden und Kreisen sehr unter-schiedlich. Das Stichwort hierzu lautet Heterogenität. Nicht nur die Höhe der Steuer¬einnahmen differiert erheblich, auch die Höhe der Sozialausgaben betreffen die Regionen unterschiedlich. Schließlich ist in vielen Bundesländern auch ein kommunales Altschuldenproblem zu bewältigen, wie es sich z.B. an der Höhe der Kassenkredite und ihrem weiteren Anstieg zeigt.

Vor diesem Hintergrund müssen die finanzpolitischen Maßnahmen bewertet werden. So hatte der Koalitionsvertrag der Großen Koalition im Bund auch die notwendige Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben als prioritäre Maßnahme festgestellt und zu einem Teil seines Programms gemacht. Dieser Punkt muss abschließend noch in dieser Legislaturperiode geregelt werden. Weitere Schritte einer kommunalen Entlastung wurden in den letzten Jahren bereits erreicht. Weitere sind noch zu tun.

1. Kommunale Entlastung von Soziallasten
Der Bund hat sich für die Jahre 2015 bis 2017 dazu verpflichtet, den Kommunen jeweils eine Vorabentlastung in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr zur Entlastung ihrer Haushalte zukommen zu lassen. Diese Milliarde wird jeweils zur Hälfte der bestehenden Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft (KdU) nach SGB II und dem gemeindeeigenen Umsatzsteueranteil aufgeschlagen. Zudem wird der Bund im Jahr 2017 weitere 1,5 Milliarden Euro bereitstellen, die über eine weitere Erhöhung des Bundesanteils an den KdU um 500 Millionen Euro und 1 Milliarde Euro Aufschlag auf die gemeindeeigenen Umsatzsteueranteile erfolgen soll.

Die Koalitionäre haben sich im Bund darauf verständigt, dass die Entlastung der Kommunen nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen und von einigen Ländern immer noch gefordert, über die Reform der Eingliederungshilfe für Behinderte und die Übernahme der Kosten entscheidender Leistungsbestandteile der Eingliederungshilfe, wie z.B. einem Bundesteilhabegeld, durch den Bund erfolgen sollte.

Die Reform der Eingliederungshilfe mit der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes erfolgt jetzt unabhängig von dieser Entlastungsabsicht  und muss deshalb aus kommunaler Sicht aufwands-neutral erfolgen. Insofern müssen die Möglichkeiten einer Übernahme der Kosten der Ausgaben des dritten Kapitels des SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) durch den Bund oder die Entlastung der Träger der Eingliederungshilfe durch die Übernahme der Pflegekosten für behinderte Menschen in vollstationären Einrichtung durch die Pflegeversicherung (Abschaffung des §43a im SGB XI) als mögliche Kompensationsmöglichkeiten im Hinblick auf mögliche Leistungsausweitungen, wie z.B. den Verzicht auf eine vollständige Anrechnung von Einkommen und Vermögen, angesehen werden.

Um dem Ziel der Entlastung der Kommunen von Soziallasten und der Notwendigkeit einer Übernahme der durch die zunehmenden Zahl anerkannter Asylbegehrender verursachten zusätzlichen Kosten der Unterkunft im SGB II zu begegnen, ist es unabdingbar, dass hier ein stärkeres Engagement des Bundes erfolgt.

Die Bundes SGK spricht sich deshalb dafür aus, die jährliche kommunale Entlastung ab 2018 durch eine Übernahme der gesamten Kosten der Unterkunft im SGB II durch den Bund erfolgen zu lassen. Dabei wird eine dadurch entstehende Bundesauftragsverwaltung im Bereich der Grundsicherung für Erwerbsuchende (SGB II) billigend in Kauf genommen. Dieser Weg entlastet direkt die kreisfreien Städte und Kreise, in denen die Fallzahlen der Bezieher von Leistungen des SGB II am höchsten sind. Dieses Kriterium ist als Indikator von „Strukturschwäche“ besonders geeignet und entspricht den Zielen des Koalitionsvertrages, eine Entlastung bei den Sozial¬ausgaben zu erreichen.

Die damit den Kreisen entstehende Entlastung ihrer Sozialhaushalte muss mit einer entsprechenden Absenkung der Kreisumlage für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden einhergehen.

2. Stärkung der Investitionskraft finanzschwacher Kommunen fortsetzen
Mit der Einrichtung eines vom Bund mit Mitteln in Höhe von 3,5 Milliarden Euro ausgestatteten Sondervermögens im Jahr 2015 werden in den Jahren 2015 bis 2018 Investitionen in finanz-schwachen Kommunen mit einem Fördersatz bis zu 90% gefördert. Für die Verteilung der Mittel auf die Bundesländer hat der Bund einen Schlüssel gewählt, durch den insbesondere die Bundesländer mit strukturschwachen und hoch verschuldeten Kommunen profitieren. Dieses Programm sollte als Bestandteil einer dauerhaften Stärkung der Finanzkraft strukturschwacher Kommunen auch über 2018 hinaus weitergeführt und mit deutlich mehr Mitteln ausgestattet werden.

Durch den kommunalen Investitionsfonds für strukturschwache Kommunen werden die strukturellen Probleme der Finanzausstattung der Kommunen allerdings nicht gelöst. Es bedarf hier weiterer Unterstützung bei der Stärkung der allgemeinen Finanzkraft (siehe 1.).

3. Hilfen für Altschulden
Da die Lage strukturschwacher Städte, Gemeinden und Kreise zumindest in den alten Bundesländern von hohen Schulden und kurzfristig finanzierten Kassenkrediten geprägt ist, sollten Bund und Länder die Kommunen in eine nationale Entschuldungsinitiative einbeziehen. Auch wenn dieses im Rahmen der Weiterentwicklung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nicht mehr zum Gegenstand gemacht wurde, sollte im weiteren Verlauf die Möglichkeit von Bund, Ländern und Kommunen eine Initiative zur Bekämpfung kommunaler Altschulden zu ergreifen nicht endgültig aufgegeben sein. So könnten Bund und Länder durch die Schaffung gemeinsamer Anleihen kommunale Altschulden übernehmen, damit diese von dem erhöhten Zinsrisiko in der Umschuldung entlastet werden könnten. Im Gegenzug müssten die Kommunen entsprechende Tilgungsvereinbarungen eingehen.

4. Beteiligung des Bundes an den Kosten der Zuwanderung und Integration der Asylsuchenden und Flüchtlinge
Die Aufgabe der Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen und deren Integration muss als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen werden, an deren Kosten der Bund sich beteiligen muss. Die Bundes-SGK begrüßt die dynamische Beteiligung des Bundes an den Kosten der Erstaufnahme und Unterbringung der Asylsuchenden und Flüchtlingen mit einer Pauschale pro Asylsuchenden für die Dauer des Antragsverfahrens. Ein erster Schritt bestand in der Beteiligung des Bundes in 2015 mit einem Festbetrag von 2 Milliarden Euro über Umsatzsteueranteile der Länder. Für 2016 erfolgt dann eine Abschlagszahlung in Höhe von 2,68 Milliarden Euro. Ende des Jahres soll dann eine Spitzabrechnung erfolgen, die bei der Festlegung der 2017 folgenden Abschlagszahlung berücksichtigt werden soll.

Über diese Kostenbeteiligung des Bundes hinaus braucht es eine Unterstützung der Kommunen im Hinblick auf die vielfältigen Integrationsleistungen, die insbesondere für die Asylsuchenden und Flüchtlinge mit Bleibeperspektive erforderlich sind. Die Bundes-SGK präferiert hierfür eine zweite Integrationspauschale, die sich an der Zahl der Empfänger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die ein Asylverfahren durchlaufen haben, orientiert. Hier könnte mit einem vergleichbaren Spitzabrechnungsverfahren gearbeitet werden, wie bei der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Erstaufnahme.

Eine wesentliche dritte Forderung bezieht sich darüber hinaus auf die zusätzlich in den „Regelsystemen“ erforderlichen Mittel, um die Integrationsaufgabe zu befördern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Dieses betrifft vor allem die Bereiche Spracherwerb und Integrationskurse, die Beteiligung an zusätzlichen Kosten im Bereich der Kinderbetreuung und frühen Bildung, die Ausstattung der Schulen und der Schulsozialarbeit, die Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, des Einstiegs in Ausbildung und Arbeit, Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, den sozialen Wohnungsbau u.v.a.m. Hier müssen Bund und Länder die
Kommunen unterstützen.

5. Grundsteuerreform jetzt!
Die Bundes-SGK fordert Bund und Länder dazu auf noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Grundsteuer einzuleiten und abzuschließen.

Die derzeitigen bewertungsrechtlichen Regeln der Grundsteuer werden durch mehrere beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren in Frage gestellt. Insofern besteht akuter Handlungsbedarf.
    
Die Arbeitsgruppe „Gesamtmodell“ der Finanzministerkonferenz soll das Gesamtmodell der Länder, auf das sich die Länderfinanzminister am 25. Juni 2015 mehrheitlich geeinigt hatten, so weiter entwickeln, dass es kurzfristig administrierbar ist und Wertanpassungen in der Zukunft vollautomatisch geschehen können.
    
Die Bundes-SGK lehnt in diesem Zusammenhang eine weitere Regionalisierung von Steuergesetzgebungskompetenzen ab, weil hierdurch keine Strukturunterschiede abgebaut werden können.

6. Kooperative Beteiligung des Bundes an gesamtgesellschaftlichen Aufgaben
Das Leitbild eines solidarischen und kooperativen Bundesstaates macht es erforderlich, dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht nur durch fiskalische Ausgleichsmechanismen zu entsprechen, sondern auch das Zusammenwirken der gebietskörperschaftlichen Ebenen im Sinne einer gemeinsamen Politik- und Ergebnisverantwortung zu verbessern. Deshalb unterstützt die Bundes-SGK das Ziel, das Kooperationsverbot in Schlüsselbereichen wie der allgemeinen

Bildungspolitik zu lockern. Darüber hinaus ist aber ein nicht nur auf einzelne Politikfelder, sondern generell anwendbarer Kooperationsmechanismus erforderlich.